Der ethnische Fokus in der Implementation des Friedensabkommens in Kolumbien: Spannungen und Ungleichheiten
Die Relevanz der ethnischen Frage als zentrale Dimension um die Wurzeln des bewaffneten Konflikts zu verstehen (insbesondere Landkonflikte) und die Herausforderungen der Umsetzung des Friedensabkommens wurde in der endgültigen Fassung des Friedensabkommens anerkannt, indem ein "ethnisches Kapitel" einfügt wurde. Dieses setzt praktisch den ethnischen Ansatz als übergreifende Perspektive bei der Auslegung und Umsetzung des Friedensabkommens fest. Dies hat Auswirkungen auf die sechs Punkte des Abkommens, einschließlich der Rechte der Afro-descendants und indigenen Völker über Land, Territorien und Ressourcen, ihre Rechte auf Landrückgabe, das Recht auf vorherige Konsultation und den Schutz ihrer besonderen Ausdrücke der Erinnerung. Besonders auffällig ist hier die Beziehung zu einer reforma rural integral (Punkt 1 des Friedensabkommens), da einige Bestimmungen Land und besetzte Gebiete beeinflussen können welche zuvor in Besitz von ethnischen Gemeinschaften waren.
Auf den ersten Blick kann man mindestens drei Arten von Spannungen identifizieren:
1) Soziale Spannungen, welche dadurch entstehen, dass Länder vom „Fondo de Tierras“ gemäß der Abkommen (teilweise beschlagnahmte Vermögenswerte von paramilitärischen Führern und anderer illegaler Akteure) betitelt und verteilt werden;
2) die sozialen Spannungen, erzeugt durch die Rückgabe von Land unter der Logik des Opfergesetzes und internationaler Verträge für die Übergangsjustiz; und
3) Spannungen die zwischen den verschiedenen Logiken über die Rechte der Landnutzung entstanden, einschließlich solcher die Besitz auf Basis ethnischer Selbstidentifikation begründen (z.B. kollektive Gebiete von schwarzen Gemeinden oder indigener Reservate), in der Zuteilung als Landarbeiter (z.B. Bauern-Schutzgebiete, ZRC), bevorzugte Modelle von Agrarexport in großem Maß (z.B. die neu geschaffenen Zonen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, ZIDRES), oder die vorübergehend für die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration der Mitglieder der FARC benutzt werden (z.B. transitorische rurale Gebiete zur Normalisierung, ZVTN).
Für einen stabilen und dauerhaften Frieden ist es daher von entscheidender Bedeutung 1) zu verhindern, dass die Friedensabkommen neue Konflikte um Land produzieren, und 2) sicherzustellen, dass die Umsetzung der Vereinbarungen effektiv bestehende regionale und ethnische Unterschiede vermindert.
Diese Forschung (geplant für eine Dauer von zwei Jahren) hat als geografischen Schwerpunkt den kolumbianischen Pazifik-Raum, eine Region großer ethnischer Vielfalt, in der viele indigene Völker und Kolumbianer afrikanischer Abstammung zusammenleben und in der sich schwerwiegende intra- und interethnische Spannungen über Land herausgebildet haben. Neben dem Schreiben eines Artikels über territoriale Ungleichheiten, finden im Rahmen dieses Forschungsprojekts zwei Publishing-Projekte statt: 1) ein Buch, welches die zuvor im Rahmen des Netzwerkes desigualdades.net stattgefundenen Untersuchungen über Ungleichheitsregime zwischen dem schwarzen Atlantik und Pazifik zusammenfasst. Dieses Buch wird verfasst von Manuel Góngora, Sérgio Costa, Rocío Vera und Jairo Baquero. 2) eine Habilitationsschrift über die Rolle des internationalen Rechts in der Konfiguration von interdependenten Ungleichheiten.