Indigene Sprachen am Lateinamerika-Institut
Sprachkursangebot zum Erlernen indigener Sprachen
Am Lateinamerika-Institut sind Kurse zum Erlernen indigener Sprachen seit Jahrzehnten fest in das Lehrangebot integriert. Die Kenntnis indigener Sprachen Lateinamerikas ist eine wichtige Voraussetzung dafür, sich Äußerungen einer uns fremden Kultur angemessen zu nähern und entsprechende soziale Konstruktionen und kulturspezifische Kontexte zu verstehen. Hier steht die Überwindung eurozentristischer Herangehensweisen im Mittelpunkt, wie etwa das Aufbrechen eindimensionaler Sichtweisen unserer eigenen Kultur auf Sprache(n) und Kommunikationssituationen, die vor allem von Schriftsprache und formeller Schulausbildung geprägt sind. Dieser Ansatz ist die Voraussetzung für die Entwicklung von interkultureller Kommunikationskompetenz.
Studierende des Masters Interdisziplinäre Lateinamerikastudien können den zweisemestrigen Sprachkurs im Wahlbereich belegen. Das aktuelle Sprachkursangebot umfasst folgende indigene Sprachen:
Quechua
Grundverständnis für die grammatischen Strukturen des modernen gesprochenen Quechua im Zusammenhang mit der Lebenswelt und der Welterfahrung der indigenen Bevölkerung bildet den Schwerpunkt des Seminars. Quechua wird von ca. 10 Mio. Menschen im andinen Großraum gesprochen. Auch in Deutschland leben Quechua Sprecher*innen. Koloniale Texte, moderne Lieder und Erzählgut bilden die Arbeitsgrundlage. Mündliche Überlieferung als Enkulturationsinstrument und die Problematik der Verschriftung oraler Sprachen werden thematisiert sowie ergänzende Materialien für weitere Forschungs- und Anwendungsperspektiven zu Quechua und indigenen Sprachen Amerikas empfohlen. In diesem Zusammenhang wird die interkulturelle Kommunikationskompetenz in den Vordergrund gestellt.
Yukatekisches Maya
Yukatekisches Maya ist mit 750.000 aktiven Sprecher*innen eine lebendige Sprache, die verschiedene Lebenswelten auf der Halbinsel Yukatan prägt. Ziel des zweiteiligen Kurses ist es einfache Texte lesen und verstehen zu können. Das yukatekische Maya wird ethnografisch und soziolinguistisch eingeordnet, so dass den Studierenden nicht nur sprachliche Kompetenzen vermittelt werden, sondern auch der ethnografische Kontext.
Veranstaltung
Indigene Sprachen Lateinamerikas in Berlin
Am 11. November fand am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin die Veranstaltung "Indigene Sprachen Lateinamerikas in Berlin" statt. Moderiert von Professorin Dr. Stephanie Schütze und Honorarprofessor Dr. Michael Dürr brachte die Veranstaltung verschiedene in Berlin tätige Forscher, Institutionen und Initiativen zusammen. Die Gäste der Veranstaltung, die sich nicht nur der Erforschung, sondern auch dem Erhalt der indigenen Sprachen Lateinamerikas widmen, diskutierten über den Wandel dieser Sprachen im aktuellen Kontext und betonten, dass es sich um lebendige Sprachen handelt.
Honorarprofessor Dr. Dürr eröffnete die Vortragsrunde mit Informationen über die Arten von Materialien, die in den Berliner Sammlungen indigener lateinamerikanischer Dokumente und Artefakte zu finden sind. Als Vertreterin des Ibero-Amerikanischen Instituts erläuterte Ulrike Mülschlegel die verschiedenen Materialien und Dienstleistungen des IAI, wie die Bibliothek, die digitale Sammlung und die Sondersammlungen. Sie stellte auch die Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen Wissenschaftlern und die Open-Access-Publikationen auf der offiziellen Plattform des Instituts vor. Ute Schüren setzte das Panel fort und stellte die Mazateka-Sammlung von Wilhelm Bauer aus dem Ethnologischen Museum in Berlin und das Projekt zur materiellen und immateriellen Kultur, Sprache und lokalen Gemeinschaft vor. Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Biblioteca de Investigación Juan de Córdoba durchgeführt wird, hat zum Ziel, mehr als 500 Mazateka-Dokumente und -Materialien zu katalogisieren.
Das erste Panel war der Kultur lebender Sprachen gewidmet und wurde von Uli Reich (FU Berlin), Teresa Valiente Catter (FU Berlin), Gabriele L. Peckaitis (Taller Guaraní) und Harry Thomas (FU Berlin) in Zusammenarbeit mit César Can Canul (Universidad Autónoma de Yucatán), der virtuell an der Veranstaltung teilnahm, geleitet. In der von Honorarprofessor Dr. Dürr moderierten Diskussion ging es um Fragen der Kultur in Bezug auf Sprache, ihre heutigen Formen der Weitergabe und Veränderung sowie um Aufzeichnungs- und Bewahrungsprojekte. Dabei wurden wichtige Punkte angesprochen, wie etwa der politische Kontext, in den das Thema indigene Sprachen eingebettet ist. Dabei sind nicht nur die verschiedenen Sprachen zu berücksichtigen, sondern auch deren regionale Unterschiede. Im schulischen Kontext wird z.B. die Präsenz indigener Sprachen diskutiert, die Frage, wann und wie sie verwendet werden sollen und die Möglichkeit eines bilingualen und interkulturellen Unterrichts. In indigenen Gemeinschaften wird nicht nur die Sprache, sondern auch das kulturelle Erbe in einem ständigen Interaktionsprozess an die Jüngsten weitergegeben.
Der Prozess der Bildung einer indigenen Identität durch die Sprache und die Autonomie der Gemeinschaften sind durch das Fehlen von Institutionen und öffentlicher Politik, die Produktion von zugänglichem Material und Diskriminierung bedroht. Die Bedeutung der Projekte zu indigenen Sprachen in Berlin liegt nicht nur darin, Brücken nach Lateinamerika zu schlagen, sondern auch darin, das Thema sichtbar zu machen, um Einfluss auf die Erhaltungspolitik zu nehmen.
Die zweite und letzte Podiumsdiskussion des Tages widmete sich dem Thema Sprachdokumentation und -forschung und wurde von Elisabeth Verhoeven (Humboldt-Universität zu Berlin), Mandana Seyfeddinipur und Kelsey Neely (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften), Lena Weßman (FU Berlin) und Lena Sell (FU Berlin) moderiert. In der von Stephanie Schütze moderierten Diskussion wurden Fragen wie die Verbreitung und Zugänglichkeit von Wissen über indigene Sprachen angesprochen. Es wurde argumentiert, dass der Erhalt dieser Sprachen nicht von außen verordnet werden könne, sondern dass es notwendig sei, die Menschen in die Debatte und die Wissensproduktion einzubeziehen. Es wurde auch diskutiert, wie wichtig es ist, eine qualitativ hochwertige Dokumentation in einem breiten Netzwerk sicherzustellen, die in multifunktionalen Formen dokumentiert und zugänglich gehalten wird. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Arbeit mit Quellentypen, die in der Sprachwissenschaft nicht üblich sind, wie z.B. ethnographische Quellen.
Der rege Austausch zwischen Gästen und Zuhörern während der gesamten Veranstaltung unterstrich einmal mehr die Bedeutung der Kenntnis indigener Sprachen Lateinamerikas für die interkulturelle Kommunikation jenseits eurozentrischer Ansätze. Indigene Sprachen sind lebendige Sprachen mit unzähligen aktiven Sprechern, und das LAI freut sich, den Studierenden des interdisziplinären Masterstudiengangs Lateinamerikastudien Wahlfächer in Quechua und Yucatecan Maya als integralen Bestandteil des Lehrangebots anbieten zu können.
Bildquelle: Christian Demarco
Bildquelle: Christian Demarco