Südamerika als Wiege der Stadtguerilla - Die Tupamaros in Uruguay
Aus einem Zusammenschluss der militanten Zuckerarbeitergewerkschaft, ländlichen revolutionären Gruppen und Teilen der Sozialistischen Partei Uruguays (PSU) gründete sich Mitte der Sechzigerjahre die weltweit erste Stadtguerilla mit dem Namen Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros. Benannt war die Gruppe nach dem peruanischen Rebellenführer Túpac Amaru und dem uruguayischen Volksheer, das noch bis zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts gegen die spanische Kolonialmacht kämpfte. Es war der Bedeutung der Metropole Montevideos und der ungünstigen Topographie und geringen ländlichen Besiedlung geschuldet, dass sich die MLN-T den städtischen Zentren zuwandten. Diese urbane Ausrichtung der bis dahin eher auf dem Land agierenden Befreiungsbewegungen wurde zum Vorbild für europäische Guerillagruppen: von den Tupamaros West-Berlin über die italienischen Roten Brigaden bis zur RAF. Die Tupamaros kämpften für die Befreiung Uruguays von Oligarchie und Imperialismus und für eine sozialistische Gesellschaft mit militärischen Mitteln. Während sich die ersten Mitglieder noch aus der Arbeiterschaft rekrutierten, kamen ab 1968 Teile der radikalisierten Studentenbewegung hinzu. Zu Beginn waren die Aktionen der Tupamaros gewaltlos und vor allem auf Öffentlichkeitsarbeit bedacht. Nach 1970 agierten sie vornehmlich als bewaffnete Gruppe aus dem Untergrund, die ihre Raub- und Entführungsaktionen vor allem gegen Unternehmer und Politiker richteten. Die Aufdeckung von korrupten Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft sowie die Weitergabe von erbeutetem Geld an Bedürftige bescherten den Tupamaros anfangs große Sympathie. Nach der Radikalisierung des bewaffneten Kampfs wandten sich viele jedoch wieder ab. Unter der Militärdiktatur (1973- 1985) wurden viele Führungsmitglieder gefasst, gefoltert und blieben bis Ende der Diktatur inhaftiert. Die Überlebenden beschlossen 1985, die Tupamaros in eine Partei umzuwandeln und sich an den ersten demokratischen Wahlen zu beteiligen. Bis Anfang 2008 amtierte eines ihrer führenden Mitglieder, José Mujica, als Landwirtschaftsminister.
Markus Rauchecker