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Alberto "Tito" Flores Galindo - Utopien für ein andines Peru

 

Alberto Flores Galindo war ein von innerer Unruhe und Wissensdrang geplagter Utopist, der sich stets mit den Fragen beschäftigte: Wie geht es weiter mit Peru? Wie kann die kolonial gespaltene Gesellschaft ausgehend von ihren andinen Wurzeln neu geordnet werden? „Andine Utopie“ bedeutete für ihn die Neuordnung der Gesellschaft von unten und den Bruch mit kolonialen Machtgefügen.

 

Der heute als intellektuelle Leitfigur der peruanischen 68er geltende Flores Galindo, von seinen Zeitgenossen auch oft Tito genannt, verstarb 1990 im Alter von 41 Jahren und wurde vor allem für sein international bekannt gewordenes Hauptwerk: „Auf der Suche nach einem Inka: Identität und Utopie in den Anden“ (Buscando un Inca: Identidad y Utopía en los Andes) bekannt. Das Buch wurde 1986 zum ersten Mal publiziert und erhielt noch im selben Jahr den Essay-Preis des Amerikahauses in Kuba.

 

Auch wenn Flores Galindo von Freunden und Zeitgenossen als Marxist bezeichnet wird, so war er doch kein typischer Dogmatiker. Er bezeichnete sich selbst als „überführten und geständigen Marxisten“ („marxista convicto y confeso“) (34). Politisch beheimatet war er in der Nähe der Parteien der „Neuen Linken“ wie der MIR oder der Vanguardia Revolucionaria – und war zugleich deren ständiger Kritiker.

 

Der Historiker, Sozialwissenschaftler und Essayist studierte an der Pontificia Universidad Católica del Perú (PUCP) in Lima und an der École Practique des Hautes Études in Paris. Nach seiner Rückkehr nach Peru widmete er sich der Arbeit als Dozent an der PUCP und zugleich dem Journalismus in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, die für die intellektuelle Debatte der 68er-Bewegung von großer Bedeutung waren, darunter La Jornada, El Caballo Rojo, 30 días, Amauta, Cambio. Unter dem Einfluss von Ereignissen wie dem Pariser Mai, dem Vietnamkrieg, der Kubanischen Revolution sowie dem Sturz der Belaúnde-Regierung durch die „linke“ Militärregierung unter General Velasco beschäftigte sich Flores Galindo mit den drastischen sozialen Ungleichheiten und deren Tradition in der peruanischen Gesellschaft. Wie andere seiner intellektuellen Zeitgenossen befand er einen radikalen Wechsel als unausweichlich, welcher sich vor allem auf den Sturz der oligarchischen Strukturen der Gesellschaft bezog.

 

Den Weg für seine Suche nach einer neuen „andinen“ Nationalität ebneten die beiden peruanischen Denker José Carlos Mariátegui sowie José Maria Arguedas, welche für die linke Debatte Perus bis heute von zentraler Bedeutung sind. Mariátegui postulierte in seinem bekanntesten Werk: „7 Ensayos de Interpretación de la Realidad Peruana“ (7 Essays über die Interpretation der peruanischen Realität) die Notwendigkeit, eine eigene peruanische Form des Sozialismus zu finden. Der Band wurde eine wichtige Leitlektüre für die gesamte lateinamerikanische Linke. Der Dramatiker José Maria Arguedas thematisierte, wie auch später Flores Galindo, die „rassische“ Spaltung des Landes in die indigenen Anden, das Hochland und die moderne Küstenregion der „Criollos“, der kreolischen Bevölkerung. In Flores Galindos so gelobter wie diskutierter Essaysammlung „Buscando un Inca: Identidad y Utopía en los Andes“ definierte der Autor Utopie als das, was keinen Platz findet – weder im Raum noch in der Zeit. Flores Galindo kämpfte bis zuletzt für einen Platz der andinen Geschichte, geprägt von Ausgrenzung und Unterordnung, im nationalen Gedächtnis seines Landes.

 

Henriette Friede