Geschichtlicher Hintergrund des Esemble Moxos
Die Musiker_innen des Ensemble Moxos stammen aus dem Dorf San Ignacio de Moxos im bolivianischen Tiefland, das eine Geschichte jesuitischer Missionierung vorzuweisen hat. Das Dorf entstand als eine der vielen sogenannten reducciones im Regenwaldgebiet. Die Bevölkerung San Ignacios gehört nach wie vor größtenteils den indigenen Moxeñ@s an. Anfang der 1990er Jahre waren die Moxeñ@s zusammen mit anderen indigenen Gruppen des bolivianischen Tieflandes entscheidend am Prozess der Reivindicación Indígena (Indigene Anerkennung) beteiligt: Zwei Monate beteiligten sie sich an der Marcha por la Tierra y la Dignidad, einem Protestmarsch, der auf die Situation der politisch unterdrückten indigenen Gruppen Boliviens aufmerksam machte. Die Marcha erwirkte ein neues Kapitel in der bolivianischen Minderheiten-Politik: Erstmalig erkannte der bolivianische Staat offiziell seine vielfältigen (indigenen) Kulturen und Identitäten an, würdigte diese und schrieb ihnen damit politische Rechte zu.
Jedoch sind die Zukunftsperspektiven jugendlicher Moxeñ@s, auch heute noch, nicht besonders aussichtsreich; ihr Auskommen finden sie meist nur im Verkauf von folklorisiertem Kunsthandwerk oder schlicht durch Bettelei. Der „Ausverkauf“ indigener Kulturen steht der Romantisierung derselben gegenüber; beides stigmatisiert und essentialisiert die Betroffenen und spricht ihnen das Recht auf individuelle und kulturelle Entfaltung ab. Das Ensemble Moxos bricht mit diesen starren Konzepten: Es entstand aus einer Initiative, die sich die Bewahrung und Aufwertung des geschichtlichen und kulturellen Erbes der Moxeñ@s zum Ziel gesetzt hat, ohne dass den Mitgliedern das Recht auf eigene Entfaltung abgesprochen werden sollte.
1994 wurde mit den Restaurierungsarbeiten der alten jesuitischen Kirche der ehemaligen reducción San Ignacio begonnen. Die ursprünglichen Strukturen sollten als Kulturerbe erhalten bleiben. Es entstand die Idee, die Kirche im Jahr 2002 zur 250-Jahrfeier des Ortes wieder zu eröffnen. Die Messegestaltung sollte nach jesuitischem Vorbild geschehen, mit eigenen Gesängen, einem kleinen Orchester und Chor. Durch das Engagement von Einzelpersonen und die Förderung der UNESCO entstand so Mitte der 1990er Jahre das Ensemble, dessen Mitglieder aus San Ignacio und der Umgebung stammen. Die alten Notenbestände konnten gesichtet und restauriert werden. Die Eröffnung fand wie geplant statt, das Ensemble spielte die alten lokalen jesuitischen Stücke, was sich als Erfolg und Bereicherung für die Region herausstellte, sodass das Konzept fortgeführt wurde.
Heute besteht das Ensemble aus rund 20 Musikern und Musikerinnen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Seit 2004 ist Raquel Maldonado mit der Leitung des Ensembles betraut. Durch ihr Engagement wurde an das Ensemble auch eine Schule angegliedert, die von etwa 200 Kindern und Jugendlichen besucht wird. Sie erhalten dort eine professionelle musikalische Ausbildung – allerdings ohne den religiös-erzieherischen Anspruch, den die Jesuiten damals verfolgten. Ziel ist es, die vielschichtige kulturelle Identität mit all ihren Ausprägungen zu erhalten und die barocken Musikstücke lesen, spielen und interpretieren zu lernen. Die Schule finanziert sich über den Verkauf von CDs und durch Konzertauftritte, da es im bolivianischen Kulturbetrieb kaum finanzielle Unterstützung für sie gibt.
Für die Finanzierung der Schule hat das Ensemble Moxos bereits vier Europatourneen hinter sich gebracht. Im Rahmen der dritten Europatournee im Jahr 2011 konnte die Stadt Berlin erstmalig Zeuge eines Konzertes der Moxen@s werden. Auf Initiative von María José Muñoz und Michael Riedel konnte am 29. Oktober 2011 ein gemeinsames Konzert des Ensemble Moxos mit dem Sinfonieorchester der Droste-Hülshoff-Schule stattfinden. Die Musik aus wurde so nicht nur für ein breites Publikum erfahrbar, sondern auch die Basis eines interkulturellen Austausches von Jugendlichen aus zwei sehr unterschiedlichen Ländern, die über Sprachbarrieren und kulturelle Differenzen eine gemeinsame Leidenschaft pflegen.
Nach den erfolgreichen Erfahrungen von 2011 wurde unter der Leitung von María José Muñoz im Wintersemester 2013/14 eine Arbeitsgruppe Moxos gemeinsam mit sieben weiteren Masterstudentinnen des Lateinamerika-Instituts gegründet. Ziel der AG war es, den 5-tägigen Aufenthalt und das Programm der Musiker_innen des Ensemble Moxos im November 2013 zu planen, durchzuführen und für eine entsprechende Finanzierung zu sorgen. Durch das Engagement der AG in Zusammenarbeit mit Michael Riedel konnten im Zeitraum vom 04.11.-06.11.2013 drei Konzerte in den Konzertsälen des Augustinum Kleinmachnow, der Droste-Hülshoff-Schule Zehlendorf und der Universität der Künste Berlin mit insgesamt ca. 750 Besucher_innen realisiert werden. Am 4.11. trat das Ensemble Moxos alleine auf, in den Konzerten am 5.11. und 6.11. wurde wieder gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Droste-Hülshoff-Schule musiziert. Die Konzerte im November 2013 hinterließen wieder ein begeistertes Publikum, das über die Vielfältigkeit der musikalischen Elemente staunte.