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Vorstellung ausgewählter Promotionsprojekte

                                                                                                                                                

News vom 09.01.2013

“Grounding Debates about Nature and Space: An Environmental History of the Carajás Mine in Brazil 1964-1995” (Kevin Niebauer)

Tropenwälder dienen seit jeher als Projektionsfläche für diverse Natur- und Menschenbilder. Dadurch prägen sie auch politische, kulturelle und soziale Praktiken in ihrem Verhältnis zu ‚Natur‘ oder ‚Umwelt‘. Die damit zusammenhängenden Ideen können aus der historischen Perspektive einige Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten aufweisen oder in Konkurrenz zueinander stehen. Ob nun als grüne Hölle, klimatische Wärmepumpe, genetisches Reservoir, biodiverse Schatzkammer oder als tropisches Paradies – gemeinsam ist den Leitmotiven zu dem Topos Tropenwald in der Regel die zugrunde liegende Außenperspektive. Diese entstand im Zuge der Eingliederung Amazoniens in die jeweiligen dominanten Herrschaftssysteme. Dass dieser Prozess im Grunde bis heute andauert, macht die Region einmal mehr für die Zeitgeschichte interessant.

Vor dem Hintergrund der Umwelt- und Klimadebatten der letzten Jahrzehnte wird außerdem ersichtlich, dass die Region in ihrer Bedeutung als tropischer Wald von vielen Akteuren als Antithese zur Moderne begriffen wird. Eng geknüpft an diese Auffassung ist die Forderung, den Regenwald zu schützen oder zu retten. Damit einher geht auch nicht selten die Idee eines verloren gegangenen harmonischen Verhältnisses zwischen Mensch und ‚Natur‘, das am Beispiel des intakten Urwaldes und der traditionellen Lebensweise seiner indigenen Bevölkerung konserviert zu sein scheint. In Konkurrenz dazu stehen Ideen, die Amazonien primär als Siedlungsland, Rohstofflieferant und Wachstumsmotor für die nationale Ökonomie definieren.

Die mit beiden Stoßrichtungen verknüpften Bilder, Metaphern und Symbole zirkulierten seit den 1960er Jahren verstärkt innerhalb internationaler Netzwerke und Institutionen und wurden ab den 1980er Jahren via Massenmedien schließlich einer globalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht.    

In meiner Dissertation möchte ich mich diesem Spannungsfeld am Beispiel der Eisenerzmine von Carajás annähern, indem ich das Raum- und Umweltwissen verschiedener Akteure untersuche und  miteinander vergleiche. Dabei sollen neben den Ideen von Umweltschützern, Wissenschaftlern, Journalisten und Unternehmern auch die Konflikte und Erfahrungen der lokalen Bevölkerung, die in die direkte Umgebung der Mine migriert ist, in den Blick genommen werden. Welche sozialen und ökologischen Transformationen wurden von welchen sozialen Gruppen wie erfahren und interpretiert und in welchem Verhältnis standen diese zueinander?

Im Rahmen dieser Analyse werde ich sowohl Publikationen der erwähnten Akteure heranziehen als auch Interviews durchführen, wobei letztere im Falle der lokalen Bevölkerung von zentraler Bedeutung sein werden. Relevante Archive und Bibliotheken befinden sich unter anderem in Belém, Brasília und Rio de Janeiro.      

Mit dem Thema Umweltwissen und –denken beschäftige ich mich seit meiner Teilnahme an der Brasilien-Exkursion des Lateinamerika-Instituts unter der Leitung von Prof. Dr. Sérgio Costa und Georg Fischer im Jahr 2010. Meine MA-Arbeit habe ich zur Geschichte der brasilianischen Umweltbewegung am Beispiel José Lutzenbergers verfasst.  Seit Oktober 2012 habe ich ein Promotionsstipendium des Internationalen Graduiertenkollegs Entre Espacios/Zwischen Räumen (Betreuung Prof. Dr. Stefan Rinke).

„Von der technischen Faszinationskraft von Radiowellen zu melodramatischem Her(t)z-Schmerz und anderen Transmissionen. Literarische Repräsentationen des Mediums Radio in der lateinamerikanischen Literatur“ (Christiane Quandt)

Die beiden Medien, für die ich mich begeistere – Literatur und Radio – finden sich vereint in meinem Promotionsvorhaben. Zwar untersuche ich nur literarische bzw. lyrische Texte, doch gibt mir das Thema vor, dass das Radio als Medium der Transmission vorkommen muss. Schon immer interessiere ich mich für Transmissions- bzw. Translationsvorgänge – daher auch mein Übersetzerstudium – doch die Begeisterung für die Vermengung verschiedener Medien, bzw. die Abbildung eines Mediums in einem anderen kam erst mit der näheren Beschäftigung mit lateinamerikanischer Literatur. Der argentinische Schriftsteller Manuel Puig ist hier als wichtiger Ausgangspunkt zu nennen, gemeinsam mit Mario Vargas Llosa. Geht man den Werke „Boquitas pintadas“ und „La tía Julia y el escribidor“ nach, so stellt sich rasch heraus, dass es zwar zahlreiche Untersuchungen zu den Texten, den Figuren und den Autoren gibt, jedoch wenig zum Medium Radio in literarischen Texten. Und an dieser Stelle beginnt mein Projekt.

Die teilweise schwierige Suche nach Primärliteratur wurde 2012 abgeschlossen und das Korpus setzt sich aus 14 literarischen und lyrischen Werken der lateinamerikanischen Literaturen zusammen. In allen Werken kommt das Radio vor, jedoch keineswegs in gleicher Weise. Somit gliedert sich die Arbeit insgesamt in vier Teile. Im ersten steht avantgardistische Lyrik der mexikanischen Estridentistas sowie der brasilianischen Modernistas mit ihrer ungebremsten Begeisterung für die neue Übertragungstechnik „sin hilos“ im Mittelpunkt. Im zweiten Teil befasse ich mich mit dem Melodramatischen, das in vielen Texten der „años de oro“, also den goldenen Jahren des Radios vorkommt. Es schließt sich ein Teil an, der eng mit dem vorigen verknüpft ist, wo aber die Anklänge des Melodramatischen in einem explizit politischen Umfeld laut werden, was zum kritischen Hinterfragen melodramatischer Formate als potenziell instrumentalisierbar für totalitäre Regime führt. Der letzte Teil befasst sich mit den neuesten Werken, die das Medium Radio in die Texte einbeziehen. Hier ist zu beobachten, dass die Art und Weise der Thematisierung des Mediums in ihrer Fokussierung auf ein urbanes Umfeld sowie auf die Materialität der Technik an diejenigen der avantgardistischen Texte des ersten Teils erinnert. Die Technik wird in den Mittelpunkt gerückt, wobei das Radio nun nicht mehr eine Innovation verkörpert, sondern vielmehr mit einem nostalgischen Anklang als ältestes Medium unter vielen neuen daher kommt.

An meinem Dissertationsprojekt arbeite ich seit 2011 im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Literaturen und Kulturen Lateinamerikas am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.