Brasilien, Venezuela, Guyana (2010)
Brasilien, Venezuela, Guyana
Exkursion „Amazonien als transnationales Konfliktfeld“ (März 2010)
In dem Zeitraum vom 01. bis 12. März 2010 führt diese Exkursion nach São Paulo, Manaus, Boa Vista und in die Grenzregion zwischen Brasilien, Venezuela und Guyana. Dabei handelt es sich um ein regionalspezifisches Lehrforschungsprojekt, das vom Lateinamerika-Institut (LAI) der Freien Universität Berlin (FU) durchgeführt wird. Vorbereitet, organisiert und begleitet wird die Studienreise von Prof. Dr. Sérgio Costa und von Georg Fischer, M.A..
An der Studienreise nehmen ca. 15 Studierende aus unterschiedlichen Studiengängen und Disziplinen teil, wobei ein Großteil aus dem LAI-Masterprogramm „Interdisziplinäre Lateinamerikastudien“ stammt.
Vorbereitend wurden im Sommersemester 2009 und Wintersemester 2009/10 in jeweils zweistündig stattfindenden Vorbereitungskursen am LAI die grundlegenden Themen und Fragestellungen zur Exkursion in Form von gemeinsamer einschlägiger Lektüre, Gastvorträgen, Diskussionen und Referaten behandelt.
Amazonien ist mit seiner einzigartigen Biodiversität und seiner herausragenden Bedeutung für die Verhandlung internationaler Klimaziele in den Mittelpunkt vieler aktueller Debatten gerückt. Die „Transnationalisierung“ Amazoniens findet jedoch nicht nur auf klima- und umweltpolitischem Gebiet statt. Die enormen territorialen Ausmaße Amazoniens, sein Rohstoffreichtum und die zahlreichen mit der Region verbundenen Interessen führen zu Konflikten über die Verteilung und Nutzung von Land, Bodenschätzen, Wissensbeständen, die die Grenzen der Nationalstaaten in der Amazonasregion überschreiten. Dabei können zwei übergeordnete transnationale Konfliktdimensionen ausgemacht werden: 1. Amazonien als Ort lokaler Konflikte mit transnationalen Bedingungsfaktoren; 2. Amazonien als konfliktiver nationaler Grenzraum. Beiden Dimensionen nähert sich die Exkursion theoretisch und empirisch an. Ziel der Exkursion ist es somit, diese Dimensionen transnationaler Verflechtungen am Beispiel Amazoniens in den Blick zu nehmen.
Die Exkursion zielt darauf ab, Amazonien als transnationales Konfliktfeld am Beispiel der brasilianischen Bundesstaaten Amazonas und Roraima und der an sie anschließenden Grenzräume in seinen verschiedenen Dimensionen wissenschaftlich zu beleuchten. Hierzu gehört etwa die Betrachtung der Bedeutung und Wahrnehmung von zwischenstaatlichen Grenzen für Migrationsbewegungen sowie die sozialen Dynamiken von Grenzstädten in Amazonien. Ein weiteres wichtiges Themenfeld stellen grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte dar, die im Zusammenhang mit südamerikanischen Integrationsbestrebungen stehen, aber häufig lokale Realitäten und Beschränkungen ignorieren. In kulturwissenschaftlicher Perspektive lässt sich in diesem Kontext auch die Konstruktion neuer Raumvorstellungen untersuchen, in denen das Amazonasbecken stärker als zuvor als Verbindungsraum figuriert und nicht mehr (ausschließlich) als natürliches Hindernis oder militärischer Sicherheitsgürtel. Darüber hinaus beschäftigen sich mehrere studentische Forschungsprojekte mit Fragen nach Wissensproduktionen – etwa im Kontext der Nutzung traditioneller Wissensbestände durch transnationale Unternehmen, der Geschichte des brasilianischen Umweltdenkens oder der Zirkulation von Protestformen in transnationalen NGO-Akteursnetzwerken. Auch die Expansion der Produktion von Agrarkraftstoffen wird ein Schwerpunktthema darstellen. Im Mittelpunkt wird auch die Indigenenpolitik stehen, die gerade im Grenzraum Roraimas in den letzten Jahren zu einem der weltweit größten Landkonflikte geführt hat. Am Beispiel der Demarkation des Indigenengebiets Raposa/Serra do Sol soll ein konkreter Konflikt mit wichtigen transnationalen Elementen eingehender studiert werden.
Die verschiedenen beteiligten Institutionen in Berlin und Brasilien und die verschiedenen Zugänge zu dem interdisziplinären Themenbereich „transnationale Konfliktfelder“ sollen zum einen die institutionelle Kooperation zwischen den LAI und den betreffenden brasilianischen Universitäten stärken. Darüber hinaus soll der wissenschaftliche Austausch im Bereich der kultur- und sozialwissenschaftlichen Amazonienforschung gefördert sowie die Ergebnisse der Forschungsprojekte in angemessener Form publiziert werden.