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Bachmann, Pauline

Repräsentationen und Aneignungen der Karibik am Beispiel der Romane Limón Blues und Columpio al aire

 

Pauline Bachmann

Lateinamerikanistik

E-mail: pmbachmann@hotmail.com

 

Projektbeschreibung

Die Karibik Zentralamerikas ist ein Raum, in dem sich historisch verschiedene Machtbeziehungen artikulieren. Die beiden ausgewählten Romane Limón Blues und Columpio al aire sind historische Romane, sodass  sich die Machtbeziehungen im Wi(e)derschreiben der Geschichte spiegeln. In der Untersuchung der Erzählungen geht es um das Zusammenwirken von Geschichtspräsentation und Raumbeziehungen, sowie darum, wie sich die Geschichtsdarstellungen räumlich manifestieren.

Limón Blues, geschrieben von der costaricanischen Schriftstellerin Ana Cristina Rossi, gewann zwei wichtige Literaturpreise (Premio Nacional de Novela Aquilino Echevarría, Premio José María Arguedas de Casa de las Américas) und wurde sehr schnell zum Bestseller in Costa Rica.

Columpio al aire erhielt nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten, obwohl Lizandro Chávez Álfaro, geboren in Bluefields in der nicaraguanischen Karibik,  einer der herausragenden Schriftsteller des Landes ist. 

Columpio al aire und Limón Blues:

Einbettung in den akademischen Diskurs in Costa Rica und Nicaragua

„…im fin de siecle befinden wir uns im Moment des Übergangs, wo Raum und Zeit sich kreuzen und komplexe Konfigurationen von Differenz und Identität, von Vergangenheit und Gegenwart, Innen und Außen, Einbeziehung und Ausgrenzung erzeugen.“ Homi Bhabha, Verortungen der Kultur

Erste Forschungsergebnisse

Sowohl in Nicaragua als auch in Costa Rica ist es von Bedeutung, wer schreibt und für welche Gruppe er/sie schreibt. Da allerdings diese Debatte in Costa Rica weiter fortgeschritten ist, spielt die Frage dort auch eine größere Rolle.

In Costa Rica herrscht Uneinigkeit zischen den Akademikern und Schriftstellern, ob Anacristina Rossi (weiß, aus der Hauptstadt stammend) über die Geschichte der Afro-karibischen Gemeinschaft schreiben kann/darf oder nicht. Eine Fraktion behauptet, dass dieser „kulturelle Grenzübertritt“ eine Anmaßung und nicht überzeugend realisierbar sei, während die andere versucht, die Grenzüberschreitung mit Argumenten wie der Anwendung   wissenschaftlicher Methoden einerseits und persönlicher Erfahrungen andererseits zu legitimieren. Auf die künstlerische Freiheit eines Schriftstellers, über alles zu schreiben, hat niemand verwiesen, da beiden Parteien die Wiedergabe der „Realität“ zentral erscheint, woraus sich auch die Legitimierungsbedürfnisse der zweiten Gruppe ableiten lassen könnten.

Limón Blues wird in die bereits vorhandene akademische Debatte um die Dekonstruktion der Mythen eingebettet, auf die sich die nationale Identität in Costa Rica bis vor kurzem vor allem gestützt hat. Einhergehend mit dieser Debatte, existiert ein neues Interesse an der Erforschung der aus diesen Mythen ausgegrenzten kulturellen und ethnischen Gruppen sowie Regionen. Daran beteiligen sich  sowohl  Schriftsteller als auch Wissenschaftler und es ist zwischen ihnen zu einem (unsinnigen) Streit gekommen, welche Disziplin als erste die Dekonstruktion der Mythen als neue Wahrheit erkannt hat und welche mehr Anrecht auf dessen Darstellung hat. In Nicaragua wird das Thema auf andere Weise behandelt. Lizandro Chávez Alfaro wird als nationaler Schriftsteller gesehen und nicht als karibischer. Hinzu kommt für die Forschung erschwerend, dass seine Bücher weitgehend unrezipiert geblieben sind, auch unter den Akademikern und vor allem unter den Schriftstellern. Leonel Delgado, einer der bekanntesten Literaturkritiker des Landes, kritisiert darüber hinaus stark den Konformismus im literarischen Feld in Nicaragua. Werke werden nur auf Grund von internationalem Prestige, erworben beispielsweise durch Literaturpreise, und in der Regel unkritisch rezipiert. Eine Debatte um die nationale Identität ist praktisch nicht vorhanden, wozu auch der Mangel an kritischer Analyse beiträgt. Die nationale Identität offiziell zu hinterfragen und die (neuen) kulturellen Komponenten des Landes zu erforschen ist laut Delgado jedoch ein überfälliges Thema, das nun den politischen Veränderungen der Autonomie-Gesetzgebung der Karibikregion folgen müsste. Weil die Geschichtswissenschaft in Nicaragua noch sehr jung und wenig ausgeprägt ist, nimmt der historische Roman traditionell einen größeren Stellenwert ein, um Geschichte darzustellen. Historiker schenken, anders als in Costa Rica, dem kollektiven Gedächtnis des „Volkes“ viel mehr Aufmerksamkeit als der rein akademischen Geschichtsschreibung, weshalb einige im historischen Roman die Gefahr der Verbreitung „falscher“ Wahrheiten sehen.