Das Lateinamerika-Institut schließt, das Alexander von Humboldt-Institut eröffnet?
Mitte der 1980er-Jahre musste das Lateinamerika-Institut einen weiteren Umbruch bewältigen, der das Selbstverständnis des Instituts infrage stellte und langfristig über dessen Zukunft bestimmte. Dem 1986 neugefassten Berliner Hochschulgesetz entsprechend sollte es die Zentralinstitute, an denen Personen verschiedener Disziplinen neben ihrer Verbindung mit einem Fachbereich gemeinsam lehren und forschen, in dieser Form nicht mehr geben. Die weitere Existenz des Instituts, das damit die rechtliche Gleichstellung mit den Fachbereichen verloren hätte und die akademische Selbstverwaltung nicht länger hätte mitgestalten können, stand auf dem Spiel. Mitte 1988 diskutierte der Akademische Senat gar über einen Antrag, der auf die Auflösung des Instituts abzielte. Der Ende der Dekade neu gewählte Berliner Senat gestaltete die Hochschulpolitik schließlich um und schuf damit die rechtlichen Grundlagen für die erneute Gleichstellung von Fachbereichen und Zentralinstituten.38
Nicht allein die rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussten in diesen Jahren das Schicksal des Instituts. Im Februar 1985 besuchte der Westberliner Senator für Wissenschaft und Forschung das Institut, dessen professorale Ausstattung und Verbesserung der Lehr- und Forschungsbedingungen im Allgemeinen er von den Empfehlungen einer einzuberufenden Kommission abhängig machen wollte. Das achtköpfige internationale Expertengremium, zu dessen Mitgliedern auch Hirsch-Weber zählte, besuchte in der Folge das Institut und legte Anfang 1986 einen Bericht vor. In ihren „Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Forschung und Lehre über Lateinamerika an der Freien Universität Berlin“ bezog sich die Kommission auf die in den frühen 1960er-Jahren thematisierten Vorstellungen eines lateinamerikanischen Zentrums. Die Kritik am Zentralinstitut in seiner gegenwärtigen Form fiel angesichts dessen vernichtend aus: „Das Institut ist seinem Ziel und seiner Aufgabe insgesamt nicht gerecht geworden. Die Kommission fand bei den Mitarbeitern des LAI weder eine die Institutsarbeit tragende, verbindende Gesamtkonzeption noch ein nach außen wahrnehmbares institutionelles Selbstverständnis. Forschung und Lehre wirken eklektisch.“
Eine „ersatzlose Schließung“ des Zentralinstituts hielt die Kommission allerdings für „bedauerlich und verfehlt“. Sie schlug stattdessen die Neugründung einer mit über 20 Professuren überaus gut ausgestatteten Forschungseinrichtung vor, die den Namen „Alexander von Humboldt-Institut“ tragen sollte.39 Die Finanzierungsgrundlage für ein solches Institut war jedoch nicht gegeben.
Die Frankfurter Rundschau berichtete über die Vorfälle rund um das Lateinamerika-Institut und titelte:„Der heutige Gutachter verließ einst das Institut im Zorn. Beim Berliner Senat fiel das Lateinamerika- Institut an der Freien Universität in Ungnade. Kommission vermißt Konzeption.“Die Zeitung veröffentlichte auch eine Aussage des damaligen Institutsratsvorsitzenden, nachdem die Vorlage der „Empfehlungen“ der sogenannten Kewenig-Kommission unter den Institutsmitgliedern für Beunruhigung gesorgt hatte:
„Man wird weder die Stirn haben, dieses Institut, da[s] inzwischen ja auch so etwas wie ein eigenes Profil entwickelt hat und in Lateinamerika zum Teil sehr große Anerkennung genießt, zu schließen, noch werden Senat und FU-Präsident den Mut haben, es zu fördern.“40
38 Lateinamerika-Institut, Tätigkeitsbericht 1989-1990, Berlin 1991, S. 4.
39 „Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Forschung und Lehre über Lateinamerika an der Freien Universität Berlin“ vorgelegt von acht Kommissionsmitgliedern, S. 3, 17.
40 Marion Lucke, „Der heutige Gutachter verließ einst das Institut im Zorn“, in: Frankfurter Rundschau (Frankfurt am Main, 8.1.1987).