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Lexikon

Im Lexikon sollen Themen der Geschichte und Anthropologie Lateinamerikas kurz und übersichtlich dargestellt werden. Die Bilder wurden passend zu den Lexikoneinträgen gewählt, sie stellen gleichzeitig aber auch andere Zusammenhänge dar.

C

Cofradía

Cofradía

Cofradía
Bildquelle: © Cristina Guzmán http://www.scielo.cl/pdf/chungara/v38n1/art05.pdf

„Mit dem spanisch-portugiesischen Begriff cofradía werden Bruderschaften innerhalb der Kolonialgesellschaft in Übersee bezeichnet. Diese Laienvereinigungen haben ihren Ursprung im frühmittelalterlichen Europa. Die Reconquista und die damit verbundene christliche Re-Missionierung wiesen den cofradías eine besondere Bedeutung zu. Es lag nahe, dass cofradías innerhalb des Missionswerkes der röm.-kath.Kirche in der neuen Welt als ein hervorragendes Mittel zur Vertiefung des christlichen Glaubens bei den [indigenen] Neuchristen betrachtet wurden.

Bereits in den 1520er Jahren – die militärische Eroberung des aztekischen Reiches war 1521 beendet - gründete der franziskanische Laienbruder Pedro de Gante die erste [indigene] cofradía Amerikas, die Cofradía del Santissimo Sacramento im heutigen Einzugsgebiet von Mexiko-Stadt. Angesicht der Epidemien, die in Folge der Eroberung unter den [Indigenen] wüteten, boten cofradías mit ihrem Konzept der Vermittlung christlicher Werte durch karitatives Handeln eine gute Möglichkeit zur Einlösung des Missionsauftrages.

Auch die spanische respektive die portugiesische Krone, denen innerhalb des regio patronato, d.h. des königlichen Patronats über Kirchenangelegenheiten, die Hoheit über die überseeische Kirche oblag, standen den cofradías und ihrem Wirken wohlwollend gegenüber, versprachen sie sich doch von der Vermittlung christlich-abendländischer Werte und deren Umsetzung im Alltag eine leichtere Integration der indianischen Bevölkerung in die koloniale Gesellschaft. Damit sollte einerseits eine dauerhafte Befriedung der eroberten Gebiete in Übersee erreicht und so die militärisch-politische Abhängigkeit des Mutterlandes von den spanischen Siedlern abgebaut werden. Andererseits hoffte man, die Gefahr von Aufständen und Unruhen innerhalb der autochthonen Bevölkerung in dem Maße zu verringern, in dem Letztere die christlich-europäischen Werte und Normen verinnerlichte und sich als Untertan der europäischen Krone verstand. Eine ähnlich befriedende Wirkung erhoffte man sich nach Ankunft der ersten afrikanischen Sklaven von deren Christianisierung; sie sollten ihr Schicksal akzeptieren, nicht rebellieren.

Tatsächlich wurden cofradías von den [Indigenen] aber auch von den Afroamerikanern Iberoamerikas begeistert angenommen. Oft waren Aufgaben und Funktionen der cofradías nur scheinbar katholisch, denn es kam vor, dass der Schutzpatron der Bruderschaft zwar dem Namen nach ein katholischer Heiliger war, sich dahinter tatsächlich aber Eigenschaften einer indianischen oder afrikanischen Gottheit verbargen. [...] Zudem waren cofradías Laiengruppen auf Gemeindebasis und somit vor direkter kirchlicher Kontrolle weitgehend geschützt. Zusätzlich waren cofradías, deren Mitglieder Männer, Frauen, Sklaven und Freie sein konnten, aus Sicht der einheimischen und afrikanischen Bevölkerung im wirtschaftlichen, sozialen, ja teilweise sogar im politischen Bereich außerordentlich wichtig. Im 17. Jahrhundert stellten Angehörige derselben Familie oft die Inhaber der höchsten Ämter in der indianischen kolonialen Gemeinde und der cofradía.

Schenkungen aus Testamenten bildeten oft den Grundstock eines cofradía-Vermögens, das im Sinne der selbstgesetzten Aufgaben verwandt wurde[:] [...] Unterhalt des Hospitals, [...]Beerdigungen, [...]Versorgung von Witwen und Waisen [...], Freikauf versklavter Brüder und Schwestern. Darüber hinaus konnten Mitglieder einer cofradía Kredite erhalten. [...] Cofradías spielten daher auch innerhalb der lokalen und regionalen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Dies galt bis zur Mitte 19. Jahrhunderts, als die Kirche im öffentlichen Leben stark zurückgedrängt wurde. Heute beschränken sich cofradías auf den rein religiösen Bereich.“


Aus: Bechtloff, Dagmar: Cofradía. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2005 (Bd. 2), S.785-767

Compadrazgo

Taufe

Compadrazgo
Bildquelle: Foto Peggy Goede

„Unter Patenschaft wurde in der Neuzeit die Tauf- bzw. in der katholischen Kirche auch die Firm-Patenschaft verstanden. Der Begriff Pate ist vom lat. pater abgeleitet, ´Weil er das kind aus der taufe hebende zu demselben in geistige verwandtschaft tritt, der geistliche vater desselben wird´. [...] Durch die Taufpatenschaft wird eine besondere Form der spirituellen Verwandtschaft begründet, die von Anthropologen häufig in die Kategorie der sogenannten Pseudo- oder rituellen Verwandtschaft (z.B. Blutsbrüderschaft) eingeordnet wird.

Die christliche Tauf-Patenschaft hatte zunächst die Form einer Zeugen- oder Bürgschaft für die Ernsthaftigkeit des Konversionsanliegens bei der Erwachsenentaufe. Mit der Ausbreitung der Kindstaufe seit dem 3. Jahrhundert wurde diese Praxis auf die Neugeborenen übertragen und zunächst von deren Eltern wahrgenommen. Aufgrund der Vorstellung, dass Kinder mit der Taufe auch einen Neugeburt im Geiste vollziehen, wurde diese Praxis durch eine Patenschaft ´geistlicher Eltern´ ersetzt.

[...] Wie sehr die christlichen Kirchen die Notwendigkeit der geistlichen Eignung für das Patenamt betonten, so sehr spielten bei ihrer Auswahl durch die Familien auch weltliche Gesichtspunkte eine Rolle. Über Patenschaften wurden Allianzen zwischen Familien begründet oder bekräftigt. Die Zahl der Taufpaten wurde daher vielfach ausgedehnt. Besonders begehrt waren sozial höher stehende Paten wegen entsprechender Klientel-Verbindungen, denn Paten mussten sich für die Patenkinder und besonders deren Ausbildung verantwortlich fühlen. Die katholische Kirche begrenzte im Trienter Konzil ihre Zahl jedoch auf zwei, einen männlichen und einen weiblichen Paten; ausgenommen blieb lediglich der europäische Adel.“ (Gestrich 2009: 906ff)

In Lateinamerika bestanden bereits vor der Konquista Formen der Patenelternschaft. In der Kolonialgesellschaft wurde dann das in christlicher Tradition stehende compadrazgo etabliert: Erwachsene sorgen für die religiöse Erziehung von Waisen und ggf. auch für ihre materielle Versorgung. Gerade bei der Zersplitterung der indigenen Familien durch Epidemien, Minenarbeit oder temporäre Emigration der Eltern für die repartimiento-Arbeit kam diese christliche Form der Fürsorge den indigenen Kindern und Jugendlichen zugute. Teilweise wurden ganze Familien in Not durch die compadres unterstützt. Es konnten mehrere Paare und auch sozial besser gestellte Personen als compadres ausgewählt werden. Das compadrazgo bildete so eine Form der sozialen Absicherung.

Noch heute ist diese Form der sozialen Vernetzung in Lateinamerika von großer Bedeutung, die auch im weltlichen Kontext installiert werden kann. Sie dient vor allem der politischen und ökonomischen Absicherung von Familien: Pateneltern übernehmen z.T. die Kosten für die Ausbildung eines Patenkindes. Personen mit politischer und/oder wirtschaftlicher Macht haben oftmals mehrere Patenkinder in den Gemeinden, was einerseits ihren hohen Status demonstriert und andererseits ihnen politische Unterstützung und/oder Arbeitsdienst mehrerer Familien zusichert.


Aus: Gestrich, Andreas: Patenschaft. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2009 (Bd. 9), S. 906ff;

Marshall, Gordon: Patron-Client Relationship. In: A Dictionary of Sociology. 1998. http://www.encyclopedia.com. 01.06.2010

D

Demografische Katastrophe

Der Leichnam des Huayna Capac Inka, der zur Bestattung von Quito nach Cuzco transportiert wird.

Krankheiten
Bildquelle: Königliche Bibliothek Kopenhagen www.kb.dk/permalink/2006/poma/379/en/text/?open=id2975196

„Das Ausmaß, die Geschwindigkeit und die Dauer des Rückgangs der indigenen Bevölkerung in der für die Europäer Neuen Welt nach 1492 stellten die katastrophalen Epidemien, die das mittelalterliche und neuzeitliche Europa trafen, weit in den Schatten. Historiker haben daher schon frühzeitig von einer Demographischen Katastrophe - manche sogar von einem Genozid – gesprochen. Das Sterben zählt zu den dunkelsten Aspekten der Geschichte der Entdeckung und Eroberung Amerikas durch die Europäer.

Die Demographische Katastrophe ist eine Grundbedingung für die Entwicklung der Kolonialgesellschaften in Amerika. Sie beeinflusste den transatlantischen Kulturkontakt, die Geschichte der europäischen Expansion sowie allgemein die neuzeitliche Wahrnehmung.

Die Schätzung zur Gesamtzahl der indianischen Bevölkerung, die zum Zeitpunkt der `Entdeckung´ in der Neuen Welt lebte, divergieren erheblich und sind in der historischen Forschung seit langem umstritten. Für das spätere Hispanoamerika erscheint ein Richtwert von rund 35-40 Mio. plausibel. Für Nordamerika schwanken die Zahlen zwischen 7 und 10 Mio. Ureinwohnern und für Brasilien zwischen 500.000 und 2,5 Mio. Allein in Hispanoamerika ging die indigene Bevölkerung im Lauf der folgenden gut 150 Jahre insgesamt um circa 90% zurück.

Bereits im 16. Jahrhundert war die Dimension der Demographischen Katastrophe erschreckend. In Mexiko und Zentralamerika betrug der Bevölkerungsrückgang zwischen 1519 und 1568 wahrscheinlich mehr als 90%, in den meisten anderen Regionen zwischen 80 und 90%. Auf den Karibikinseln wie v.a. der Insel Hispaniola kann man regelrecht vom Aussterben der Urbevölkerung sprechen.

[...] die Demographische Katastrophe [war] um 1570 noch nicht abgeschlossen [...], sondern [dauerte] bis ca. zur Mitte des 17. Jahrhunderts an. So reduzierte sich die Zahl der Ureinwohner bis 1650 auf rund 4 Mio. Im Einzelnen ist [..] nach Binnenregionen zu differenzieren: Insbesondere die dicht besiedelten Kernregionen Neu-Spanien (das heutige Mexiko mit Zentralamerika) sowie Peru wiesen überdurchschnittlich starke Rückgänge auf. In den dünn besiedelten Grenzgebieten (z.B. im heutigen Chile, Argentinien, Paraguay) war demgegenüber ein weniger starker Rückgang zu verzeichnen.

Die Gründe für die Demographische Katastrophe waren vielfältig. An erster Stelle standen die Krankheiten, die im Rahmen des Columbian Exchange aus Europa und Afrika nach Amerika eingeschleppt wurden. Nicht nur die auch in Europa tödliche Pocken, Pest und Typhus, sondern auch dort eher harmlose Krankheiten wie Grippe oder Masern breiteten sich z.T. pandemisch aus, forderten zahllose Todesopfer und führten langfristig zu sinkenden Geburtsraten unter den Indianern [...]. Teils im Gefolge der Eroberer, teils diesen schon vorauseilend, wurden die Epidemien zu einem wesentlichen Faktor bei der Eroberung der indianischen Reiche.

Neben den Seuchen trugen die Eroberungskriege an sich zum Bevölkerungsrückgang bei. Die unterschiedlichen Formen von Versklavung und Zwangsarbeit, die Spanier und Portugiesen im Anschluss an die Eroberung durchsetzten, forderten weitere Todesopfer. Damit einher gingen die Ernährungsprobleme, die auch auf die ´die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts´ durch neue Erzeugnisse und Anbaumethoden zurückzuführen waren. Seuchen, Hunger, Ausbeutung und allgemeine Aussichtslosigkeit führten ferner zu einer Demoralisierung der autochthonen Bevölkerung, die sich in sinkenden Fertilitätsraten niederschlug.“ (Rinke 2005: 895 -899)

Als Konsequenz des damit verbundenen Rückgangs an Arbeitskräften begannen die spanischen Eroberer vermehrt afrikanische Sklaven nach Amerika einzuführen.

Den massiven Bevölkerungsrückgang nahmen die Europäer zum Anlass, ihre kulturelle Überlegenheit gegenüber den Indigenen zu untermauern. Die demografische Katastrophe wurde teilweise von ihnen als Gottesurteil interpretiert und förderte ihre paternalistische Haltung gegenüber der indigenen Bevölkerung weiter.

Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts verlangsamte sich in Hispanoamerika der Bevölkerungsrückgang. Schließlich stiegen die Bevölkerungszahlen nach einer Phase der Stagnation wieder an. Entscheidend war dabei die Entwicklung von Resistenzen gegenüber aus Europa eingeschleppten Krankheitserregern.

 

Aus: Rinke, Stefan: Demografische Katastrophe. In: Jaeger (Hrsg.) Enzyklopädie der Neuzeit. 2005 (Bd. 2), S. 895-899

E

Encomienda

Encomienda

Encomienda
Bildquelle: La Biblioteca Luis Ángel Arango http://lablaa.org/blaavirtual/ciencias/sena/periodismo/precolom/precol3d.htm

Als Entlohnung für ihre Dienste während der Eroberung vertraute die spanische Krone den Kolonisten eine bestimmte Anzahl von Indigenen an – eine sogenannte encomienda (encomendar = anvertrauen). Konnte der Besitzer einer encomienda über die Arbeitskraft „seiner“ Indigenen frei verfügen, war er im Gegenzug dazu für deren Unterweisung im christlichen Glauben zuständig.

Arbeitskräfteversorgung, Erziehung und Christianisierung sollten dabei Hand in Hand gehen. Für die Indigenen, die in der Hauswirtschaft, in den Gold- und Silberminen, auf den Plantagen oder beim Perlentauchen eingesetzt wurden, bedeutet diese jedoch oft hemmungslose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, häufig verbunden mit unmenschlichen und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen.

„Die Kolonisten nahmen die daraus resultierende Dezimierung der Urbevölkerung in Kauf, weil sie die [Indigenen] als minderwertige und primitive Wesen ansahen. Dem hielt in Amerika und in Spanien eine proindianische Richtung entgegen, dass die Indios nicht inferior, sondern vernunftbegabt seien. Ihre ab 1511 intensiv vorgetragenen Anklagen verursachten eine heftige öffentlich geführte Diskussion über die Behandlung der Urbevölkerung und das spanische Eroberungsrecht. Aus der Diskussion resultierten die „Gesetze von Burgos“ von 1512/13; diese bestätigten zwar das System von Zuteilung [auf Spanisch: repartimiento] und Anvertrauung [auf Spanisch: encomienda], doch ergänzten sie die Regelungen zu Arbeitsverpflichtungen durch zahlreiche Vorschriften zu Arbeitsschutz, Versorgung und Unterbringung, v.a. aber hinsichtlich der Verpflichtung der encomenderos, die [Indigenen] zu erziehen und in der christlichen Religion zu unterweisen.“ (König 2007: 835-836)

Die massive wirtschaftliche Ausbeutung der anvertrauten Indigenen bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Missionierungsauftrags und das Ziel, die encomienda in ein erbliches Privileg umzuwandeln, führten zu erheblichen Konflikten zwischen encomenderos und der Kirche. Aber auch die spanische Krone versuchte zunehmend die Macht der encomenderos einzuschränken, befürchtet sie doch von diesen in ihrer Autorität in den Kolonien untergraben zu werden. Mit dem Versuch, die encomienda aufzuheben und ihre Vererbbarkeit auszusetzen (Nuevas Leyes 1542), wurde das encomienda-System nach und nach zurückgedrängt.

Dies führte dazu, dass „gegen Ende des 16. Jahrhunderts [die encomiendas] zumindest in den Kernländern Hispanoamerikas beinahe jegliche Bedeutung verloren [hatte], und nur in peripheren Regionen, wie in Yucatán, Venezuela, im Gebiet der audiencia von Quito, in Chile, in Paraguay oder am Río de la Plata überlebte sie als Form der Arbeitsorganisation bis ins 18. Jahrhundert hinein.“ (Hausberger 2001: 91). Später traten oftmals Tributzahlungen an die Stelle der eingeforderten Arbeitsleistungen.

 

Aus: König, Hans-Joachim: Indianerpolitik. In:Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd.5), S. 835-836;

Hausberger, Bernd: Hispanoamerika im „langen“ 17. Jahrhundert. In: Edelmayer/Grandner/Hausberger (Hrsg.): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 91

I

Inkaischer Bürgerkrieg

Huáscar

Huáscar
Bildquelle: Königliche Bibliothek Kopenhagen www.kb.dk/permalink/2006/poma/115/es/text/?open=id3082991

Nach dem Tod des Inkaherrschers Huayna Capac erhoben seine beiden Söhne Huáscar und Atahualpa Anspruch auf das gesamte Inkareich. Bislang war die Herrschaft an einen der Söhne des jeweiligen Sapa Inca weitergegeben worden, während die anderen Kinder den Besitz des Vaters samt dessen Eroberungen erbten. Der Inkaherrscher war folglich zu neuen Eroberungen verpflichtet, um seinen eigenen Wohlstand zu begründen.

Dieses System der Erbteilung hatte zu der enormen Expansion des Inkareichs im Verlauf des 15. Jahrhunderts geführt, veränderte sich jedoch zum Zeitpunkt des Todes von Huayna Capac: Huáscar, der Sohn der Hauptfrau des Inka, der für Reformen eintrat, wurde von den Priestern als Sapa Inca befürwortet und ließ sich in der Inkahauptstadt Cuzco zum Herrscher über das ganze Tawantinsuyu krönen. Gleichzeitig hatte Atahualpa, der Sohn einer Zweitfrau und Lieblingssohn Huayna Capacs, Anspruch auf die Herrschaft erhoben, wobei dieser vor allem von den Generälen seines Vaters unterstützt wurde. Die gegensätzlichen Herrschaftsansprüche endeten in einem jahrelangen Bruderkrieg, der das Land spaltete und der noch währte, als die Spanier um Francisco Pizarro 1532 die Küste des heutigen Peru erreichten. Bei der nachfolgenden Eroberung machten sie sich bestehende Animositäten zu Nutze und konnten beispielsweise auf die Unterstützung der Cañari zurückgreifen. Diese hatten Huáscar in seinem Anspruch, neuer Inkaherrscher zu werden, unterstützt. Atahualpa vergalt ihnen diesen Beistand, indem er ihre Hauptstadt Tomebamba dem Erdboden gleich machen und Tausende von Cañari töten ließ. Pizarro nutzte später die Wut der Cañari auf Atahualpa und konnte ihn mit ihrer Unterstützung in Cajamarca gefangen nehmen und später große Teile des Inkareiches erobern. Da Atahualpa ein Bündnis seines Bruders mit den Spaniern fürchtete, ließ er diesen noch aus seiner Gefangenschaft heraus töten. Nur wenig später wurde Atahualpa u.a. für die Ermordung seines Bruders von den Spaniern angeklagt und zum Tode verurteilt. 

 

Peggy Goede, Juli 2010

K

Kaziken

Tupac Amaru I. und Sayri Tupac

Tupac Amaru I. und Sayri Tupac
Bildquelle: Museo Pedro de Osma, Lima

Der Begriff Kazike leitet sich von der Taíno-Bezeichnung für Hauptlinge – kassequa – ab. Er wurde von den Spaniern für verschiedene indigene Autoritäten und HerrscherInnen mit unterschiedlichster Machtfülle verwendet.

Die lokale Bevölkerung verwendete zunächst noch andere Begriffe wie kuraka (im Andenraum) oder tlatoani (in Zentralmexiko) für lokale indigene Führer. Im Laufe der Zeit ging der Begriff Kazike jedoch in den allgemeinen Sprachgebrauch über.

Insbesondere über die Kaziken versuchten die Spanier, Kontrolle über die lokale indigene Bevölkerung zu gewinnen und somit die eigene Herrschaft zu stabilisieren und zu sichern. Insbesondere in den bereits präkolumbisch geschichteten Gesellschaften wie dem Azteken- und Inkareich gelang dies, während in weniger stratifizierten Gesellschaften die von den Kolonisten eingesetzten Kaziken wenig Anerkennung fanden und Einfluss hatten.

Die Kaziken waren zumeist „höchstrangige Vertreter des indigenen Adels, Vorstände bedeutender Familienverbände und Nachfahren vorspanischer Territorialherrscher“ (Schüren 2007: 530). Sie wurden von der Kolonialverwaltung offiziell anerkannt, vorausgesetzt sie waren zum Christentum konvertiert, und wurden mit bestimmten Rechten und Pflichten sowie Privilegien ausgestattet.

„Kaziken bekleideten zumeist höchste Ämter in indianischen Verwaltungseinheiten. Diese bzw. die damit verbundenen Territorien wurden als cacicazgos bezeichnet; die Kaziken waren dort dazu verpflichtet, Steuern und Abgaben einzutreiben, Arbeitsdienste zu organisieren, flüchtige Indianer aufzuspüren. Zudem sprachen sie Recht, teilten das Gemeinschaftsland zu und waren befugt, einzelne Amtsträger in den indianischen Stadt- und Gemeinderäten zu bestimmen. Mitunter stellten sie auch die Anführer der indigenen Milizen und organisierten Bauprojekte“ (Schüren 2007: 531).

Die nichtadlige Dorfbevölkerung musste für den Unterhalt der Kaziken und für die Bearbeitung ihres Landes sorgen und stellte ihnen Bedienstete zur Verfügung. Aufgrund ihrer Privilegien - wie das Tragen von Waffen und spanischer Kleidung, die Straffreiheit bei geringeren Delikten, die Befreiung von Tributzahlungen, der Landbesitz und auch der Zugang zu Bildung – fühlten sich Kaziken oftmals den Spaniern näher als den nichtadligen Indigenen.

Die Vererbbarkeit und nicht zuletzt die Privilegien der Kaziken machte diese soziale Position zu einem begehrten Posten. Waren es zur Zeit der Konquista noch wenige Kaziken, wiesen im Laufe der Kolonialzeit immer mehr Indigene ihre Zugehörigkeit zum indigenen Adel nach – so auch Angehörige niederen Adels, Mestizen und fernere Verwandte Adliger. Diese Dynamik führte letztlich dazu, dass die Zugehörigkeit zu einem indigenem Adelsgeschlecht nicht mehr nachvollziehbar war und die Masse der Kaziken an Macht verloren.

„Kaziken waren wichtige politische, aber auch kulturelle Mittler, die eine Schlüsselfunktion innerhalb des kolonialen Systems innehatten und dazu beitrugen, es zu stabilisieren. Sie waren jedoch keine reinen Marionetten dieses Systems, sondern vielmehr verfolgten sie durchaus auch Eigeninteressen. Vielen gelang es dank der Beziehungen zur Kolonialmacht und der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile, beträchtlichen Reichtum als Großgrundbesitzer, Agrarunternehmer und Geldverleiher zu erlangen“ (Schüren 2007: 532).

Oftmals handelten auch Kaziken im Sinne der indigenen Bevölkerung, unter anderen waren sie es, die die indigene Bevölkerung für Aufstände gegen Ausbeutung mobilisierten.

 

Aus: Schüren, Ute: Kazike. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd.6), S. 530-532

L

Limpieza de Sangre

De albarasado y mestiza, barsino

De albarasado y mestiza, barsino
Bildquelle: Museo de América, Madrid, Inv. No. 00009

Die Doktrin der limpieza de sangre („Reinheit des Blutes“) entstand im Spanien des 15. Jahrhunderts zur Abgrenzung von Alt-Christen gegenüber neu konvertierten Christen, die vormals jüdischen oder muslimischen Glaubens waren. „Blut“ steht dabei als Metapher für die Herkunft. Indem Nachweise über die „reine“ Herkunft (probanza de limpieza) von Alt-Christen für bestimmte soziale Positionen verlangt wurden, sollte der Zugang zu diesen eingeschränkt werden. Sogenannte Alt-Christen konnten so eine sozial privilegierte Position behaupten. Im Jahr 1556 wurde diese Doktrin offiziell von der spanischen Krone anerkannt.

In Amerika wurde das Konzept der Reinheit des Blutes im Moment der Etablierung von Erbrechten insbesondere auf encomiendas interessant, da diese im Zusammenhang mit den Nuevas Leyes auf die Nachkommen von spanischen Eltern beschränkt wurde. Die Doktrin von der „Reinheit des Blutes“ wurde in der Folgezeit aus ihrem religiösen Kontext gelöst und diente nun vielmehr dazu, die „reine“ Herkunft eines Kindes von spanischen Eltern anzuzeigen.

In Abgrenzung zu diesen Vorstellungen von „Reinheit“ bildeten sich in der Neuen Welt gleichsam die von „Vermischung“ heraus und die damit verbundenen sozialen Kategorien der Mestizen und castas entstanden. Mit dem Nachweis der „Reinheit“ sollte, ähnlich wie schon in Spanien, soziale Mobilität verhindern werden, da sie für den Zugang zu Privilegien erforderlich war. Jedoch bildete die Herkunft für einen solchen Nachweis nur eines der Kriterien der Klassifikation als Spanier, weitaus wichtiger war z.B. die öffentliche Reputation einer Person als Spanier. So waren die sozialen Oberschichten in den Kolonien oft nicht „rein“ spanischer Herkunft.

Während in Europa gegen Andersgläubige und Konvertiten, die möglicherweise im Geheimen ihren alten Glauben praktizierten, mit Hilfe von Inquisitionsverfahren vorgegangen wurde, wurden Indigene als „unverschuldet Ungläubige“ von der Inquisition verschont. Sie unterstanden in Glaubensfragen den Ordens- und Weltgeistlichen.

 

Aus: Büschges, Christian: Limpieza de Sangre. In: Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd. 7), S. 918-922;

Stolcke, Verena: Wie Mestizen zu Mestizen wurden. Zur Geschichte einer sozialen Kategorie. In: Differenz und Herrschaft in den Amerikas. Repräsentationen des Anderen in Geschichte und Gegenwart. (Ebert/Lidola/Bahrs/Noack, 2009, Bielfeld: Transcript-Verlag)

N

Namensgebung

Hochzeit von Loyola und der Ñusta Beatriz

Namen
Bildquelle: Museo Pedro de Osma, Lima

Mit der Taufe bekamen die Indigenen den Vornamen eines/r christlichen Heiligen. Im Laufe der Zeit wurden indigene Namen mehr und mehr als Nachnamen verwendet. Auch wenn spanische Nachnamen meist auf einen gehobenen sozialen Status verwiesen, behielten insbesondere die Nachfahren des indigenen Adels zum Teil ihre Titel bei. Ein Beispiel ist der Name des Don Alonso Chiguan Topa Inga, ein Nachfahre der Inka und Mitglied einer Familie, die auch während der Kolonialzeit einen hohen sozialen Status besaß. 

Nuevas Leyes

"Fray Bartolomé de las Casas, convertiendo a una familia azteca"

"Fray Bartolomé de las Casas, convertiendo a una familia azteca"
Bildquelle: Museo Nacional de Arte, Mexico D.F. commons.wikimedia.org/wiki/File:BartolomeNore%C3%B1aDF.JPG

Im Jahre 1542 wurden die Nuevas Leyes (Neuen Gesetze) von der Spanischen Krone zum Schutz der indigenen Bevölkerung erlassen. Im Jahr 1543 kamen einige Ergänzungen hinzu. Mit den Neuen Gesetzen wurde der requerimiento außer Kraft gesetzt und das encomienda-System sollte reguliert und letztlich abgeschafft werden.

Die Nuevas Leyes waren Resultat einer heftigen Diskussion zwischen einerseits proindianischen Gruppierungen, meist kirchlicher Zugehörigkeit, der spanischen Krone und andererseits den encomenderos.

Insbesondere von Kirchenvertretern wurde gegen die verschiedenen Formen der Zwangsarbeit und die diversesten Formen der Grausamkeit, die sich gegen die indigene Bevölkerung richteten, protestiert.

„Zu trauriger Berühmtheit gelangte hier vor allem der Bericht des Bartolomé de las Casas über die Zerstörung der Westindischen Länder (Brevísima relación de la destrucción de las Indias Occidentales), der in seiner schrecklichen Detailgenauigkeit erschüttert und bestürzt [...]“(Edelmayer 2001: 71f).

"Das Drängen der Missionare, aber auch der drastische Bevölkerungsrückgang bewogen die spanische Krone dazu, ihre Indianerpolitik neu zu bestimmen. Zunächst entzog sie 1536 die ´anvertrauten Indios´ der direkten Ausbeutung durch die encomenderos“ (König 2001: 836f). "Doch nicht zuletzt durch den Einfluss von las Casas wurde 1542 durch die Neuen Gesetze die [Indianer-]Sklaverei ebenso abgeschafft wie die Neuausgabe von encomiendas verboten“ (Edelmayer 2001: 71f). Mit dem Verbot der Versklavung von Indigenen wurden die Indigenen zu freien, gleichzeitig jedoch schutzbedürftigen und zu erziehenden Untertanen der spanischen Krone erklärt.

Gegen die Unvererbbarkeit und den Stopp der Neueinrichtungen von encomiendas wehrten sich die kolonialen Eliten so sehr, dass „der daraufhin in Peru ausbrechende [...] Aufstand [bewirkte], dass das System der encomienda zumindest partiell weiterbestehen blieb“ (Edelmayer: S. 71f). Schließlich wurde das Verbot der Vererbbarkeit der encomiendas 1545 wieder aufgehoben. „Allerdings trachtete die Krone, keine neuen encomiendas mehr auszugeben, auch wenn diese, beispielsweise durch das Aussterben einer Conquistadorenfamilie, wieder frei wurden“ (Edelmayer 2001: 71f). Letztlich verlor die encomienda „gegen Ende des 16. Jahrhunderts [...] zumindest in den Kernländern Hispanoamerikas beinahe jegliche Bedeutung, und nur in peripheren Regionen, wie in Yucatán, Venezuela, im Gebiet der audiencia von Quito, in Chile, in Paraguay oder am Río de la Plata überlebte sie als Form der Arbeitsorganisation bis ins 18. Jahrhundert hinein“ (Hausberger 2001: 91).


Aus: Edelmayer, Friedrich: Hispanoamerika im 16. Jahrhundert. In: Edelmayer (Hrsg.): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 71f;

König, Hans-Joachim: Indianerpolitik. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd.5), S. 836f

Hausberger, Bernd: Hispanoamerika im „langen“ 17. Jahrhundert. In: Edelmayer (Hrsg.): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 91



O

Obraje

Obraje

Obraje
Bildquelle: Obispo Martínez Compañón commons.wikimedia.org/wiki/File:Obraje.jpg

Im Zuge der Arbeitsdienste, die Indigene seit der Eroberung leisten mussten, entstand auch die Arbeit in den obrajes – Textilwerkstätten. Die Zentren der Wolltuchherstellung waren Oaxaca, Puebla und Querétaro in Neu-Spanien und Quito in Ekuador. Hier wurden Tuch, Gebrauchstextilien, aber auch Luxusgüter hergestellt. In diesen Textilwerkstätten mussten die Indigenen unter gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen und schlechter Behandlung ihre Tributverpflichtungen ableisten.

Im 17. Jahrhundert wiesen „die Gerichte [den obrajes] gegen Zahlung einer Gebühr auch verurteilte Straftäter zu. Da die Arbeitsmoral der Sträflinge gering war, zeigten sich die Unternehmer aber gelegentlich wenig erfreut, ihre Betriebe als Strafanstalt zur Verfügung stellen zu müssen. Daneben griffen sowohl die obrajes als auch der Bergbau in regional und zeitlich unterschiedlichem Ausmaß auf freie Lohnarbeit zurück.“ (Hausberger 2001: 97)

 

Aus: Hausberger, Bernd: Hispanoamerika im „langen“ 17. Jahrhundert. In: Edelmayer (Hrsg.): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 97

König, Hans-Joachim, Helmut Bley: Atlantische Welt. Südamerikanische Form der Wirtschaftsorganisation. Spanisches Imperium. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2005 (Bd. 1), S. 762

R

Requerimiento

Requerimiento

Requerimiento
Bildquelle: Felipe Guamán Poma de Ayala, Nueva Corónica y Buen Gobierno (1615) http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/info/en/frontpage.htm

Teil der juristischen Rechtfertigung für die Eroberung indigener Territorien bildete der sogenannte requerimiento (dt.: Aufforderung, Mahnung). In diesen öffentlich vorgelesenen Erklärungen forderten die Konquistadoren – zumeist auf Spanisch oder Latein – die bedingungslose Kapitulation der indigenen Bevölkerung, die Anerkennung der Herrschaft der christlichen Kirche über die Welt und der spanischen Krone über Amerika.
Der requerimiento besagte ebenfalls, dass im Falle einer Nichtanerkennung die Indigenen zu Sklaven gemacht würden, ihnen ihr Eigentum genommen werde und dass deren kriegerische Eroberung rechtlich sei. Eingeführt im Jahre 1513 und auf den Ausarbeitungen des Kronjuristen Juan López de Palacios Rubios beruhend, wurde der requerimiento mit den Leyes Nuevas 1542 formal außer Kraft gesetzt. Schließlich wurde er im Zuge einer Politik, die nicht mehr von einer Eroberung, sondern einer Befriedung der Gebiete sprach, im Jahr 1573 mit der „Einladung, sich zu unterwerfen“ ersetzt. 

S

Silbergewinnung

Arbeitsraum zur Silberverarbeitung

Arbeitsraum zur Silberverarbeitung
Bildquelle: Bildarchiv Noack/Gretenkord, Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/bildarchiv_noack/

Zu Beginn der Kolonialzeit wurde Silber durch Schmelzen gewonnen. Das Silbererz wurde dafür zunächst mit schweren Eisenhammern aufgebrochen und in einem mit Kohle oder Holz beheizten Brennofen verbrannt. Da das Schmelzen jedoch viel Arbeit und Brennmaterial erforderte war es für Regionen mit einer geringen Bevölkerungszahl wie Zacatecas und ohne Wälder, wie z.B. im Fall Potosí, nicht geeignet. Solche Nachteile trieben die Kosten für Brennmaterial und Arbeitskraft hoch und beschränkten die Nutzung von Schmelzöfen auf sehr ergiebige Minen, was die Silberproduktion abbremste.

Eine Veränderung brachte die Erfindung des Amalgamverfahrens. Es war zwar teurer, verbesserte jedoch den Profit des Silberabbaus und kurbelte die Produktion an. Zum ersten Mal wurde es 1555 in Mexiko in der sogenannten patio-Methode angewendet. Dafür wurde das in den Mühlen fein gemahlene Erz mit Katalysatoren wie Salz oder Kupferpyrit und Quecksilber vermischt. Die daraus resultierende Masse wurde von den Arbeitern auf dem Steinfußboden eines großen Hofes (patio) für 6-8 Wochen zum „Kochen“ ausgebreitet. Danach wurde die Paste (pella) gewaschen, das Silberamalgam entfernt und das verbleibende Quicksilber zur Wiederverwendung aufgehoben. Der Prozess war in Peru ähnlich nur dass die Mixtur in großen Behältern gekocht wurde.

Eine weitere Methode bei der ebenfalls Quecksilber für den Amalgamprozess benötigt wurde erfand der Priester Álvaro Alonso Barba 1590 in Potosí. Das Quecksilber musste aus Almadén, Spanien, importiert werden bis im Jahre 1566 die Quecksilberminen in Huancavelica, Peru, entdeckt wurden. Danach nahm die Silberproduktion rasant an Volumen und Geschwindigkeit zu und auch die Nachfrage stieg immer stärker. Wie bei allen Gewinnen der Kolonialzeit war auch bei Silber der 5. Teil des Objektwertes der spanischen Krone vorbehalten, so dass Silberbarren neben einer Herkunftsort- und Steuermarkierung auch mit einer Markierung, die als quinto (der fünfte) bekannt wurde, gekennzeichnet wurden.

 

Peggy Goede, Oktober 2011

 

 

Verwendete Literatur

Sklaverei

Sklaverei

Sklaverei
Bildquelle: Diego Rivera, Nationalpalast Mexiko Stadt; Foto Ingrid Kummels

In Amerika suchten und fanden die Konquistadoren Edelmetalle wie Gold und Silber, deren Abbau von Anfang an eines ihrer größten Begehren darstellte. Für den Abbau wurde zu Beginn der Kolonialzeit die indigene Bevölkerung zwangsrekrutiert, die jedoch aufgrund der harten, unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Minen schnell stark dezimiert war. Neben der körperlichen Ausbeutung waren auch Kriege und Krankheiten Gründe für einen starken Bevölkerungsrückgang.

Diese demografische Katastrophe und schließlich auch die Indianerschutzgesetzgebung (Nuevas Leyes) führten dazu, dass bald damit begonnen wurde, die indigenen Arbeitskräfte durch Sklaven aus Afrika zu ersetzen. Die spanische Krone erlaubte bereits im Jahr 1501 den Handel mit afrikanischen Sklaven, in dem sie mit portugiesischen Sklavenhändlern Verträge abschloss, die den ‚Import‘ von Sklaven in die spanischen Kolonien übernahmen. Später waren auch andere europäische Mächte wie England und Frankreich am brutalen Sklavenhandel beteiligt (Bley/König2005: 762).

Waren es gegen Ende des 16. Jahrhunderts ca. 65.000 schwarze Sklaven, die in Spanisch-Amerika lebten, wird um 1640 bereits von ca. 250.0000 Menschen ausgegangen (Edelmayer 2001: 72). Insgesamt wurden schätzungsweise zwischen 9,5 und 11 Mio Afrikaner nach Amerika verschleppt. (Bley/König 2005: 762) Dabei ist ungewiss, wieviele Menschen die Reise über den Atlantik von Afrika aus antraten und unterwegs aufgrund von Krankheiten, Durst, Hunger, psychischen Strapazen verstarben. Schätzungen gehen von 40 Mio. Menschen aus. Die verkauften Menschen wurden in Ketten gelegt und geschlagen, unhygienische Zustände begleiteten die wochenlange Überfahrt.

Die afrikanischen Sklaven wurden in der Landwirtschaft und auf den Plantagen (Zucker, Tabak, Kakao, Indigo und Baumwolle) der karibischen Inseln und Küstenregionen sowie der brasilianischen Küste eingesetzt. Sklaven mussten weiterhin im Haushalt, als Hafenarbeiter und im Transportgewerbe arbeiten. Zudem stellten sie die Arbeitskräfte in den Goldminen Kolumbiens und den Gold- und Diamantenminen Brasiliens. Hingegen arbeiten in den Bergbauzentren der Vizekönigreiche Neu-Spanien und Peru, z.B. in Zacatecas, in San Luis Potosí (Mexiko) und in Potosí (heute Bolivien) Indigene als freie Lohnarbeiter (in Mexiko) bzw. waren sie trotz der Indianerschutzpolitik mit Hilfe der mita-minera, einer spanischen Form des inkaischen Arbeitsdienstes, dort zur Zwangsarbeit verpflichtet. (Bley/König 2005: 759-761)

Die Lebensbedingungen der Sklaven waren regional und zeitlich unterschiedlich. Oft waren sie von Gewalt geprägt: Misshandlungen und Bestrafungen waren neben der körperlichen Ausbeutung und den zumeist unmenschlichen Lebensbedingungen üblich und aufgrund der Rechtlosigkeit der afrikanischen Sklaven straflos. Teilweise erreichten Sklaven aber durch die Gunst ihrer Herren die Freiheit bzw. konnten sich durch die Erlaubnis einen Beruf zu erlernen und diesen auszuüben, freikaufen. Während Sklaven in der Idealvorstellung der Kolonialgesellschaft die unterste soziale Schicht stellten, war freien `Schwarzen´ ein sozialer und ökonomischer Aufstieg möglich.

Über lange Zeit wurde die Sklaverei von katholischen und protestantischen Missionaren toleriert und die gesellschaftlichen Hierarchien gegenüber den Sklaven verteidigt. Die Geistlichen argumentierten, dass ein Leben als Sklave in der christlichen Welt dem Leben als `Heide´ in Afrika vorzuziehen sei und stützten somit die gesellschaftlichen Strukturen.

Einzelne Stimmen, die sich gegen die Indianersklaverei stark machten, darunter Bartolomé de las Casas, empfahlen hingegen die Zwangsarbeit von afrikanischen Sklaven. Von anderen Priestern, darunter Jesuiten wie Alonso de Sandoval, der als Sklavenseelsorger in Cartagena de Indias, dem Zentrum des portugiesischen Sklavenhandels im 17. Jahrhundert, wirkte, wurde der Sklavenhandel bereits frühzeitig abgelehnt.

Erst zu Beginn ihrer politischen Unabhängigkeit ab 1810 schaffen die meisten lateinamerikanischen Staaten den Sklavenhandel ab, in den USA wurde der Sezessionskrieg der Südstaaten (1861-1865) zum Endpunkt der Sklaverei, während sie in Brasilien nach jahrzehntelanger Debatte erst 1888 entschädigungslos abgeschafft wurde (Bley/König 2005: 765).

Aus: Edelmayer, Friedrich: Hispanoamerika im 16. Jahrhundert. In: Jaeger (Hrsg.): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. Wien 2001, S. 72

König, Hans Joachim, Helmut Bley: Atlantische Welt. Südamerikanische Form der Wirtschaftsorganisation. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2005 (Bd. 1), S. 759- 762

König, Hans Joachim: Mission: Leitprinzip der europäischen Expansion. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2008 (Bd. 8), S. 595

Synkretismus

Trotz großer Bemühungen von Seiten vieler europäischer Eroberer und Missionare, Indigenen die christliche Religion und Lebensweise zu oktroyieren, blieben unterschiedliche religiöse Vorstellungen erhalten. Vielfach konvertierten Indigene trotz Taufe, Katechismus und christlichen Zeremonien nicht vollständig zum katholischen Glauben. Zum Teil wurde die christliche Botschaft sprachlich und/oder konzeptionell nicht verstanden.

Teils fand sich offene Ablehnung gegen die Missionierung, die darin gründete, dass das Christentum als Religion der Eroberer mit deren gewalttätigen Verhalten assoziiert und dadurch zudem die Vorbildfunktion der Eroberer als Christen in Zweifel gezogen war.

Es fanden vielmehr soziale und politische Prozesse statt – nicht zuletzt die gewaltsame Verfolgung der indigenen Religionen –, die dazu führten, dass das Christentum in eigene Glaubenspraktiken eingebunden wurde. Da sich mit der offiziellen Bekehrung zum Christentum nicht zwangsläufig die alltäglichen sozialen Praktiken veränderten, kam es zu synkretistischen Glaubensvorstellungen. So existierten indigene Gottheiten und der christliche Gott gleichzeitig und bekamen von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich verschiedene Stellenwerte zugeschrieben. Insbesondere bei von Spaniern verbotenen indigenen Gottheiten wurden deren Charaktere auf christliche Heilige übertragen und konnten somit von Indigenen weiterhin verehrt werden.

Die neuen christlichen Lieder, Gebete, Bilder, Feste und die Buße ersetzten im Laufe der Zeit alte indigene Zeremonien, jedoch ist die Christianisierung der indigenen Bevölkerung als Prozess zu verstehen und nicht als plötzliche und absolute Ersetzung einer Glaubensvorstellung durch eine andere.

Ein Beispiel von religiösem Synkretimus ist der Día de los muertos in Mexiko, dessen Grundlage aztekische Riten und Jenseitsvorstellungen bilden.

V

Vizekönigreiche

In den ersten Jahren nach der Ankunft der Europäer in Amerika gab es nur eine sehr einfache Verwaltungsstruktur in der Neuen Welt. Im Zuge der weiteren Eroberungsfeldzüge wurden regionale Verwaltungen wie audiencias (Appellationsgerichtshöfe) und gobiernos installiert. Diese unterstanden jedoch der Spanischen Krone, die Würden- und Amtsträger einsetzte und somit letzte Entscheidungsinstanz war.

Nicht nur die Entfernung zum Mutterland, sondern auch die Unbotmäßigkeiten einzelner Provinzgouverneure führten schließlich dazu, dass die Spanische Krone die neu gewonnenen Gebiete zu Vizekönigreichen erklärte. Die Vizekönige sollten die souveräne Gewalt des spanischen Königs mit entsprechenden äußerlichen königlichen Attributen stellvertretend darstellen.

Im 16. Jahrhundert wurden dann in den Gebieten, die „wegen ihrer Bevölkerungsstruktur, der naturgeographischen Ausstattung und der wirtschaftlichen Nutzung für Spanien am wichtigsten waren“ (König 2007: S. 930) zwei Vizekönigreiche gegründet: 1535 wurde mit Ankunft des Vizekönigs Antonio de Mendoza das Vizekönigreich Neu-Spanien (span.: Virreynato de la Nueva España) mit der Hauptstadt im heutigen Mexiko-Stadt etabliert. Das Gebiet reichte vom Norden Mexikos bis ins heutige Venezuela. Mendoza gelang es dort, innerhalb seiner 15-jährigen Amtszeit eine stabile Verwaltungsordung aufzubauen.

Das Vizekönigreich Peru, anfangs alsVizekönigreich Neu-Kastilien bezeichnet (span.: Virreynato del Perú bzw. Virreynato de la Nueva Castillia), wurde im Jahre 1542 mit Hauptsitz in Lima gegründet. Zum Vizekönigreich Peru gehörte praktisch ganz Südamerika inklusive Panama, doch ohne Venezuela und das portugiesiche Herrschaftsgebiet Brasilien.

Gleichzeitig mit der Entstehung des Vizekönigreiches Peru waren die Nuevas Leyes in Kraft getreten, die die encomiendas einschränken und die Indigenen schützen sollten. Der Vizekönig Blasco Núñez Vela konnte sich aufgrund von fehlendem politischen Geschick nicht gegen die gegen die Neuen Gesetze rebellierenden Kolonisten durchsetzen und wurde in einem Aufstand getötet. Erst der Vizekönig Francisco de Toledo (1569-81) konnte das von ständigen Unruhen gekennzeichnete Vizekönigreich mithilfe von Gesetzen, Verordnungen und großer Härte stabilisieren.

Im Rahmen der Bourbonischen Reformen wurde das Vizekönigreich Peru zwecks einer effektiveren Verwaltung untergliedert: 1717entstand das Vizekönigreich Neu-Granada mit Sitz in Bogotá und 1776/ 77 das Vizekönigreich La Plata mit Hauptsitz in Buenos Aires.

Mit der Loslösung der lateinamerikanischen Staaten von Spanien ab 1821 lösten sich ebenfalls die Vizekönigreiche auf.


Aus:

Edelmayer, Friedrich: Hispanoamerika im 16. Jahrhundert. In: Edelmayer/Grandner/Hausberger (Hrsg): Die neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche. 2001, S. 67

König, Hans-Joachim: Verwaltung der Kolonialreiche. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd. 6), S. 930-933

Ders.: Kolonialismus. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd. 6), S. 883

Ders.: Konquista. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2007 (Bd. 6),S. 1105

König, Hans-Joachim und Stefan Rinke: Neue Welt. In: Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. 2009 (Bd. 9), S. 114