Margherita von Brentano: Ihr Name ist Programm
Der Margherita-von-Brentano-Preis trägt den Namen einer engagierten Philosophin des 20. Jahrhunderts und der ersten Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin.
Margherita von Brentano übte seit Beginn ihrer Laufbahn in den 50er Jahren Kritik an den äußerst diskriminierenden Strukturen und Verfahren gegenüber Frauen an deutschen Universitäten. Sie kämpfte gegen diese an, weil sie die Zulassung von Frauen zum Studium und ihren Aufstieg bis in die höchsten Positionen des Wissenschaftsbetriebes blockierten und verhinderten. Diese Kritik hat bis heute nichts an Aktualität verloren.
Margherita von Brentano gibt in ihrem Aufsatz “Abiturientin, Studentin, Vorurteil: Die Frau an der Hochschule“ aus dem Jahr 1964 in ironischem Unterton ihre alltäglichen Erfahrungen wieder: „Offen, direkt und jedermann erkennbar gibt es heute an der Universität keine Benachteiligung der Studentinnen.“ Gerade deshalb machte sie darauf aufmerksam, dass jedoch „verschleierte, indirekt wirkende, uneingestandene Schwierigkeiten bestehen. Und was sie so gefährlich macht ist, dass die Betroffenen sie nicht ohne weiteres erkennen können, ihnen deshalb umso eher erliegen.“
Margherita von Brentano wehrte sich gegen die Liste der Eigenschaften, die ihre Kollegen den Dozentinnen und Studentinnen absprachen. Diesen zufolge mangele es der Frau `von Natur aus’ an: „Intellektualität und Intelligenz - geistige Produktivität – Abstraktionsfähigkeit - logisches Denken – physische Robustheit – Selbstvertrauen – Autorität und Durchsetzungskraft – Stimmstärke.” Brentano nannte diese Liste eine „wahre Fundgrube“ von Vorurteilen. Ihre Antwort auf derartige Aussagen bestand darin, ihre klaren und minutiösen Analysen über verdeckte und offensichtliche Diskriminierungsmechanismen öffentlich an Konferenzen wie den Universitätstagen 1963 zur “Situation der Frauen an der Universität” anzuprangern. Diese trafen ins Schwarze: „Ich meine nämlich, daß dort, wo noch Ungerechtigkeit herrscht, […] die Forderung nach Neutralität hingegen zu eben dem Mechanismus gehört, der gesellschaftliches Unrecht zur Natur verklärt und damit nicht erst seine Aufhebung, sondern schon seine Erkenntnis verhindert.“
Margherita von Brentano gab angehenden Studentinnen im Bewusstsein der diskriminierenden Strukturen an den Universitäten folgenden überzeugenden Rat: „Bringen sie das Selbstbewußtsein auf, Ihre Interessen, Ihre `Natur‘, Ihre Fähigkeiten selbst zu entdecken und zu definieren. Lassen Sie sich nicht von Ideologien prägen, die nichts als kümmerliche Verschleierungen von Privilegien sind, von denen man Sie ausschließen will.“
Margherita von Brentano setzte sich als Mitglied von Berufungskommissionen mit Scharfsinn und überzeugender Geistesgegenwärtigkeit für Bewerberinnen ein, die trotz gleicher Qualifikation von ihren Kollegen aussortiert oder hinter den männlichen Bewerbern platziert wurden. In einer dieser Sitzungen begründete ein Kollege die Auswahl des Bewerbers damit, dass die Bewerberin nicht in Frage käme, weil ihr Ehemann in einer anderen Stadt lehrte und sie deshalb nicht bereit wäre, dem Ruf nach Berlin zu folgen. Auf diese unsinnige Annahme hin unterbrach Brentano selbstbewusst die Sitzung, „um in der Zwischenzeit bei allen Bewerbern anzufragen, ob sie mit einem(r) Beamten(in) verheiratet, und also nicht willens oder in der Lage sind, ihren jetzigen Wohnort zu verlassen.“
In dem Essay “An Margherita von Brentano denkend“ des Philosophen und Brentano Schülers Wolfgang Fritz Haug lesen wir: „In den Gremien war sie [Margherita von Brentano] von den einen gefürchtet von den anderen bewundert, in seltener Ausnahme beides. Mit leitenden Bürokraten des Landesprüfungsamts legte sie sich bei Lehrprüfungen so kämpferisch an, dass die Behörden ihr Prüfungsverbot erteilten.“
Margherita von Brentanos hochschulpolitischer Einsatz hatte zwei Stoßrichtungen: Zum einen Förderung der Teilhabe von Frauen bis in die höchsten Qualifikationsstufen des Wissenschaftsbetriebs. Zum anderen Reform der Strukturen und internen Statute der Wissenschaft und der Verwaltung der Universität. Ihre Forderungen beriefen sich dabei auf Prinzipien der Gleichstellung als wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil des Demokratieverständnisses.
MISEAL fühlt sich dem Aktivismus und dem Wirken von Brentanos verbunden. „Wir freuen uns sehr drüber, dass wir über den herausragenden wissenschaftlichen Werdegang von Brentano hinaus Ähnlichkeiten feststellen können, die zwischen MISEAL und den von ihr angestrebten Zielen bestehen, die sowohl bezüglich ihrer wissenschaftlichen Arbeit als auch der Reformen des Wissenschaftsbetriebes und seiner Politiken sichtbar sind”, sagte Martha Zapata im Namen des Koordinationsteams in Berlin. Darüber hinaus stellte Zapata heraus, dass „die Analysen von Brentano über die zugrundeliegenden Strukturen und Mechanismen, die die Diskriminierung zu einer alltäglichen Praxis in den universitären Bildungseinrichtungen werden lassen, hochaktuell in den lateinamerikanischen Universitäten sind.” Letzten Endes sind die Ratschläge von Brentano im Kampf um Gleichstellung und universitäre Reformprozesse unentbehrliche und richtungsweisende Devisen für die weitere Durchführung des MISEAL-Projektes: „Hartnäckigkeit“ in der Zielverfolgung, „Mut gegen geschlossene Fronten anzugehen“, „die Fähigkeit Offenkundiges aber Nichteingestandenes auszusprechen“ und „Phantasie das Bestehende utopisch zu überschreiten."