Eva Alterman Blay wurde am 4. Juni 1937 in São Paulo geboren. Sie widmete sich dem Studium der Lebensbedingungen von Frauen und unterstützte die Aktivitäten von Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Organisationen und insbesondere feministischer Gruppen. Als Präsidentin des Staatsrats für Frauenangelegenheiten von São Paulo in der Regierung von Franco Montoro (1983-1987) gründete sie die erste Polizeidienststelle für die Sicherheit von Frauen im Land.
Seit den 1960er Jahren war sie aktiv in progressiven politischen Gruppen zur Mobilisierung gegen die Militärregierung unter General Humberto Castelo Branco tätig, der durch einen Militärputsch im Jahr 1964 an die Macht kam.
Als eine der ersten Akademiker*innen, die an brasilianischen Universitäten zum Thema Gender geforscht hat, gründete Eva Alterman Blay das NEMGE, das Núcleo de Estudos da Mulher e Relações Sociais de Gênero, dessen wissenschaftliche Koordinatorin sie war. Sie absolvierte ihr Bachelorstudium (1959), Masterstudium (1969), sowie ihr Promotionsstudium in Soziologie an der Universität von São Paulo (1973). Im Jahr 2018 erhielt sie von derselben Universität den Titel Professorin Emerita. Im Zentrum ihrer Forschung stehen: Frauen, Feminismus, Gender, Gewalt gegen Frauen, jüdische Einwanderung und politische Teilhabe.
Einige ihrer wichtigsten Publikationen sind: Trabalho, família e classes sociais em São Paulo (1972); Trabalho industrial x trabalho doméstico – A ideologia do trabalho feminino (1975); The Political Participation of Women in Brazil: Female Mayors (1979); Social movements and women’s participation in Brazil (1985); Inquisição, Inquisições - Aspectos da participação dos judeus na vida sócio-política brasileira no anos 30 (1989); Violência contra a mulher e políticas públicas (2003); Homicídio de mulheres – pesquisa e proposta de intervenção de Eva Alterman Blay (2008); Gênero, resistência e identidade: Imigrantes judeus no Brasil (2009) ; 8 de março – Conquistas e Controvérsias (2011). Eva Alterman Blay hat unter anderem die Sammelbände herausgegeben: 50 Anos de feminismo: Argentina, Brasil e Chile (2017); Gênero e Feminismos: Argentina, Brasil e Chile em transformação (2019).
Historisch gesehen wurden Frauen in Bezug auf Arbeit doppelt diskriminiert. Einerseits wurden sie in den privaten Bereich und in die Hausarbeit verbannt, eine Arbeit ohne wirtschaftliche Anerkennung. Außerdem erhielten sie für die gleiche Arbeit prozentual weniger Lohn als Männer, was als "Lohngefälle" bezeichnet wird. Diese Arbeitsaufteilung nach Geschlecht hat die Frauen bis vor kurzem daran gehindert, sich im öffentlichen Raum zu bewegen und ihren privaten Bereich aufzugeben. Trotzdem führen sie heute die ihnen zugeschriebene Reproduktionsarbeit fort, was als „doppelter Arbeitstag" am Ende ihres bezahlten Arbeitstages betrachtet wird. Sie leisten weiterhin den größten Teil der Care-Arbeit in der Familie.
Den Forschungen von Eva Alterman Blay zufolge entkommen die Frauen in Brasilien dieser Situation nicht. Sie haben schon immer gearbeitet und ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, sowohl im Haushalt als auch außerhalb, sowohl die versklavten Frauen als auch die frei geborenen. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der brasilianischen Gesellschaft ist zusammen mit der asymmetrischen Verteilung der Hausarbeit eine der Hauptursachen für die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen am Arbeitsplatz. Da die Frauen mehr Zeit mit unbezahlter Hausarbeit verbringen, verfügen sie über weniger Zeit für Bildung und Ausbildung.
Sie nennt drei wesentliche Aspekte, wenn es um das Verhältnis von Frauen in Brasilien zur Arbeit geht. Erstens muss das wirtschaftliche Niveau des Landes berücksichtigt werden, das die Fähigkeit der Frauen beeinflusst, eine höhere Ausbildung zu erhalten oder in den Arbeitsmarkt einzutreten. Die meisten von ihnen sind in Berufen tätig, die als "weiblich" gelten, d. h. der Markt absorbiert die Arbeitskraft der Frauen, ohne die unbezahlte Hausarbeit zu berücksichtigen, die sie leisten. Die Haltung des sozialen und familiären Umfelds reproduziert diese globalen ideologischen Tendenzen, übt Druck aus und droht mit sozialen Sanktionen für diejenigen, die versuchen, die Muster der sexuellen Arbeitsteilung zu untergraben.
Der Begriff Gewalt gegen Frauen bezieht sich auf Gewalttaten, die aufgrund ihres Status als Frau ausgeübt werden, wobei ihr Geschlecht das Hauptmotiv ist. Diese Art von Gewalt tritt in verschiedenen Formen auf, wie Diskriminierung, körperliche, sexuelle, verbale oder psychische Übergriffe und Mord, und manifestiert sich in verschiedenen Bereichen des sozialen, beruflichen und politischen Lebens.
Für Eva Alterman Blay sind Gewalt gegen Frauen und die Ermordung von Frauen Teil der sozialen Realität und des kollektiven Bewusstseins in Brasilien, das seit Jahrhunderten fortbesteht. Trotz der Gesetzesänderungen, die früher die Ermordung von Frauen unter dem Vorwand des Ehebruchs erlaubten, und obwohl jetzt das Gesetz 11.340 existiert, das häusliche und innerfamiliäre Gewalt gegen Frauen verbietet, werden nach wie vor Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet.
Eine Untersuchung der Morde zeigt einen Wandel der journalistischen Narrative von "Verbrechen aus Leidenschaft" und Liebesverbrechen, die das Opfer erneut viktimisieren, hin zu einer fundierten, neutralen Berichterstattung, die Fakten aufdeckt und die Rechtfertigungen der Morde von Frauen hinterfragt. Auch wenn die Verbrechen nun sichtbarer sind, ist die machohafte und konservative Berichterstattung über sie nicht verschwunden.
Trotz des wirtschaftlichen und kulturellen Wandels in Brasilien, der veränderten Darstellung dieser Verbrechen in den Medien, ihrer größeren Sichtbarkeit und der Forderungen der Frauenbewegung seit Ende des 19. Jh. bis heute, wird die Frau immer noch dem Mann untergeordnet, objektifiziert und auf Besitz reduziert. Diese asymmetrischen Geschlechterverhältnisse, die die Ursache für die Ermordung von Frauen sind, müssen an allen Fronten bekämpft werden, und zwar mit bereichsübergreifenden politischen Maßnahmen, die auf die Gleichstellung von Männern und Frauen abzielen. Vom Staat, über die Bildungspolitik und unter Beteiligung der gesamten Zivilgesellschaft.
Die feministische Bewegung, sowohl von staatlicher Seite als auch von Seiten der Bürgerbewegungen, ist von grundlegender Bedeutung, um Veränderungen im Hinblick auf die Verringerung der Gewalt gegen Frauen zu bewirken. Es bedarf transversaler Maßnahmen der Politik, die auf die Eindämmung der Diskriminierung und der Kultur der geschlechtsspezifischen Unterordnung ausgelegt sind, um der machistischen und patriarchalischen Kultur entgegenzutreten. Damit Frauenrechte zu Menschenrechten werden, müssen die Programme der Justiz-, Bildungs-, Gesundheits-, Planungs- und anderer Ministerien miteinander verknüpft werden.
Der Begriff Intersektionalität bezieht sich auf ein Konzept der Geschlechterforschung, und beschreibt die Überlagerung und Verbindung struktureller Kategorien, die Ungleichheiten generieren. Die Idee ist schon lange bekannt, gleichwohl der Begriff erst in den 80er Jahren von der nordamerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw geprägt wurde.
Eva Blays Arbeit bietet eine intersektionale Perspektive auf den brasilianischen Kontext, obwohl sie den Begriff von Crenshaw nicht verwendet. In ihren Analysen geht Blay auf das Problem der Mehrfachdiskriminierung ein und zeigt, dass in der brasilianischen Wissenschaft und in soziologischen Studien die Überschneidung von Kategorien wie Geschlecht, Klasse, ethnische Herkunft und Alter berücksichtigt wird.
Ein Beispiel hierfür ist der Artikel "Aspekte der Teilnahme von Jud*innen am sozio-politischen Leben Brasiliens in den 30er Jahren" (Blay, 2001) über die Chancengleichheit von Frauen im brasilianischen Kontext. Blay spricht von den hierarchischen Beziehungen, die soziale Kategorien beiden Geschlechtern historisch auferlegt haben und die die weibliche Realität mit Diskriminierung markieren. Laut Blay reproduziert sich diese Hierarchie, die die wirtschaftliche Unterordnung der Frau unter den Mann impliziert, in allen sozialen Klassen, in verschiedenen ethnischen Gruppen und in jeder Generation. Zudem überlappen sich die anderen strukturellen Kategorien wie Klasse oder Ethnizität und bilden eine "Pyramide der Macht" (ibid.: S. 3). In dieser Pyramide, die für eine kapitalistische Gesellschaft charakteristisch ist, hat die wirtschaftliche Position einer Person mehr Wert als die ethnische Position. Der Weiße Mann mit hohem Einkommen hat die größte Macht. Eine Weiße Frau mit hohem Einkommen hat mehr Macht als jeder nicht-Weiße Mann. Das Subjekt in der hierarchisch niedrigsten Position ist die Schwarze und arme Frau. Sie leidet folglich am meisten unter multipler Diskriminierung. In Bezug auf die Kategorie des Alters stellt Blay fest, dass sich der Wert im Laufe der Zeit stark verändert hat. Heutzutage befindet sich eine ältere Person in einer schwachen Position, während in der Vergangenheit mit dem Alter Weisheit assoziiert wurde.
Ein Thema, das in der akademischen Laufbahn von Eva Blay sehr präsent und aktuell ist, ist die Verbindung von Geschlecht und Judentum, indem sie die ungleichen Beziehungen zwischen jüdischen Männern und Frauen untersucht, die nach Brasilien immigriert sind (Blay, 2009) sowie die politische Beteiligung von jüdischen Immigrant*innen in Brasilien (Blay, 2006)
Quellen