Der abgesenkte Tempel (templete semisubterráneo), der eine Fläche von 26 x 28 m umfasst und ca. 2 m tief liegt, gilt als der älteste Monumentalbau Tiwanakus und wurde bereits im Späten Formativum 2 als Ort für kommunale Rituale gebaut. Das heutige Aussehen geht auf die Rekonstruktion durch den bolivianischen Archäologen Carlos Ponce Sanginés zwischen 1961-64 zurück. In die Wände sind neben 57 Steinpfeilern auch 175 anthropomorphe Steinköpfe eingearbeitet, von denen keiner dem anderen gleicht.
Die Steinköpfe werden als mythische Vorfahren verschiedener in Tiwanaku ansässiger so-zialer Gruppen interpretiert, die auf einen sich in der Mitte des Tempel befindlichen anthro-pomorphen Monolith mit Gesichtsmaske blicken, dem wiederum Bedeutung als Ursprungs- oder Schöpfergottheit zugeschrieben wird. Die im Tempel symbolisierten sozialen und religi-ösen Verbindungen würden daher architektonisch eine idealisierte, als inklusiv imaginierte Gesellschaft repräsentieren.
In Tiwanaku 1 wird der Tempel erneuert und der heute als Bennett-Stele bekannte Mono-lith wird aufgestellt, der, charakteristisch für den klassischen Tiwanaku-Stil, Flachreliefs auf-weist und die typischen Machtinsignien – Becher und Stab – vor seiner Brust hält. Dieser Monolith von einer Höhe von 7,30 m stand lange vor dem Stadion in La Paz und wurde nach einer 70 Jahre währenden Debatte um seinen Aufstellungsort im Jahr 2002 in das Museum von Tiwanaku überführt.