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Textbeispiel Moderne

Tlajtlane ātl - Regenbitte

no-knī-uāni ō-ti-uāla-keii melāuak

mein-Bruder-Plural Vergangenheit-wir-kommen-Perfekt-Plural wahrhaftig

Meine Brüder wir sind gekommen, wahrhaftig,

ō-ti-k-chīua-keiii  yajuīniv penetensia

Vergangenheit-wir-sie-tun-Perfekt-Plural diese Buße

um zu tun diese Buße.

 

amō yajuīn tlinka ti-uāla-kev

Verneinung dies warum wir-kommen-Perfekt-Plural

Aus keinem anderen Grund sind wir gekommen,

ō-ti-tla-jtlanī-kovi  ā-tsin-tlevii

Vergangenheit-wir-etwas-erbitten-sind gekommen, um zu tun Wasser-Reverential-Absolutiv Singular

[sondern] wir sind gekommen, um zu bitten um den verehrten Regen.

 

 

Die Altamerikanistin Hedda Scherres, die die Regenbitte bei einer Feldforschung in Xonacatlan, Guerrerro aufgenommen, transkribiert und übersetzt hat, hat den Laut /k/ mit dem Zeichen /k/ realisiert.

 

i. Nomen im Possessiv Plural gebildet aus Possessivstamm iknīu-, dem Possessivpräfix für die 1. Person Singular no- und dem Pluralsuffix beim Possessiv -uān. Das Possessivpräfix bezieht sich auf denjenigen, dessen Bruder es ist. Am Stamm iknīu- sind Assimilationen aufgetreten. Das anlautende /i/ ist nach dem /o/ des Possessivpräfixes ausgefallen und das auslautende /u/ des Nominalstamm vor dem /u/ des Pluralsuffixes.

Mit allen nicht sichtbaren Teilen würde die Form wie folgt aussehen: no-iknīu-uan

Das Zeichen /u/ steht in schriftlichen Texten moderner Nahuatl-Varietäten für den Laut /w/. Im Klassischen Nahuatl der Kolonialzeit wurde /w/ mit /hu/ am Wortanfang und /uh/ am Wortende wiedergegeben.

ii. Unregelmäßiges intransitives Verb im Perfekt 3. Person Plural.

Die Partikel ō signalisiert, dass die folgende Verbform in einem Vergangenheitstempus steht.

Subjekte von Verben werden mit Subjektpräfixen wiedergegeben. Das Präfix für die 1. Person Plural lautet ti-.

Das Perfekt wird mit dem Stamm uala- gebildet. Zeiten werden mit Suffixen gebildet, die an die entsprechenden Verbstämme angefügt werden. Das Perfektsuffix erscheint nicht. Es ist ein sog. Nullaffix -Ø-. Das Suffix –ke signalisiert den Plural.

Mit allen nicht sichtbaren Teilen würde die Form wie folgt aussehen: ō-ti-uāla-Ø-ke

iii. Transitives Verb im Perfekt 1. Person Plural.

Die Partikel ō signalisiert, dass die folgende Verbform in einem Vergangenheitstempus steht.

Das Präfix für die 1. Person Plural lautet ti-.

Objekte von transitiven Verben werden in der Verbform in Form von Objektpräfixen repräsentiert. Auf Objekte, die im umliegenden Text benannt oder genauer spezifiziert werden, wird mit definiten Objektpräfixen hingewiesen. Das Objekt des Verbs ist penetensia »Buße«, wodurch das definite Objektpräfix der 3.Person Singular -k- erforderlich ist.

Der Präsensstamm des Verbs lautet chīua-. Es gehört im Klassischen Nahuatl zum Verbtyp II und lässt im Gegensatz zu den Verben vom Typ I, deren drei Stämme (Präsens-, Futur-, Perfektstamm) identisch sind, im Perfektstamm den Endvokal ausfallen, sodass dieser auf einen Konsonanten auslautet. Im modernen Nahuatl von Xonacatlan, Guerrerro kann das Verb sowohl zum Typ II als auch zum Typ I gehören, was hier der Fall ist. Der Perfekt lautet dadurch vokalisch aus und fügt das Perfektsuffix -k an, das aber vor dem /k/ des Pluralsuffixes -ke, dem Suffix für konsonantisch auslautende Verbformen, ausfällt.

Mit allen nicht sichtbaren Teilen würde die Form wie folgt aussehen: ō-ti-k-chīua-k-ke

iv. Vermutlich Assimilation aus dem verstärkenden Personalpronomen 3. Person Singular yajua »dieser, diese, dieses« und der syntaktischen Markierung īn (siehe Anmerkung x). Bei der Assimilation ist der Auslaute /a/ von yajua ausgefallen.

Mit dem Zeichen /j/ ist der Glottisverschlusslaut realisiert worden, der im Klassischen Nahuatl der Kolonialzeit meist nicht geschrieben wurde, und wenn doch, als /h/.

v. Siehe Anmerkung ii. Es fehlt die Partikel ō, die signalisiert, dass die folgende Verbform in einem Vergangenheitstempus steht.

vi. Transitives Verb im Perfekt 1. Person Plural.

Die Partikel ō signalisiert, dass die folgende Verbform in einem Vergangenheitstempus steht.

Das Präfix für die 1. Person Plural lautet ti-.

Obwohl das Objekt des Verbs als atsintle »Wasser« benannt ist, wodurch das definite Objektpräfix der 3. Person Singular erforderlich wäre, ist das indefinite Objektpräfix -tla- für nicht spezifizierte, unbelebt vorgestellte Objekte verwendet worden.

Zur Perfektbildung wird ein Suffix der intentionalen Bewegungsrichtung verwendet

Es gibt diese Suffixe mit der Bedeutung "kommen, etwas zu tun" und mit der Bedeutung "gehen etwas zu tun". Sie drücken Zeitaspekt und Numerus immer mit aus. Das Suffix -ko mit der Bedeutung "kommen, etwas zu tun" signalisiert damit zugleich auch Singular und Perfekt oder Präsens.  Es wurde an den Futurstamm des Verbs, ijtlanī, angefügt. Der Anlaut /i/ ist nach dem /a/ des Objektpräfixes ausgefallen.

Mit allen nicht sichtbaren Teilen würde die Form wie folgt aussehen: ō-ti-tla-(i)jtlanī-ko.

vii. Nomen im Absolutiv Singular Reverential (Höflichkeitsform), gebildet mit dem Kompositivstamm a- von atl  »Wasser«, dem nominalen Reverentialsuffix -tsin und dem Suffix für den Absolutiv Singular -tle für konsonantisch auslautende Stämme. Anders als im Klassischen Nahuatl steht im Nahuatl von Xonacatlan, Guerrerro im Absolutiv-Singularsuffix ein /e/ anstelle von /i/. Im Klassischen Nahuatl lautet das Suffix -tli.

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