Keynesianische Theorie
a) John M. Keynes (1883-1946)
Die Theorie und den Einfluss von Keynes in einem knappen Absatz darzustellen grenzt ein wenig an den Versuch ein Kamel durchs Nadelöhr zu bekommen. Während sich andere Ökonomen aus seiner Zeit an einem Teilgebiet und den entsprechenden Fragestellung zu einem Themengebiet ein Leben lang abarbeiteten, revolutionierte John Maynard Keynes die Geldtheorie, begründete die Makroökonomie und auf die Weltwirtschaftskrise 1929 hatte er nicht nur eine ökonomische Lösung parat, sondern auch die entsprechende Politikempfehlung, um einer solchen Krise zu begegnen. Vor allem auf die Makroökonomischen Aspekte seiner „General Theory“ soll hier kurz eingegangen sein.
Die wichtigste Neuerung durch Keynes gegenüber den Neoklassikern war die neue Rolle des Staates. Der Staat ist in der keynesianischen Theorie ein Akteur im Wirtschaftsgeschehen und greift in Zeiten des Abschwungs lenkend durch Investitionen in die Wirtschaft ein. Say hatte noch postuliert, dass jedes Angebot sich seine Nachfrage schaffe. Die Weltwirtschaftskrise zeigte eine gegensätzliche Entwicklung. Es war Keynes der zum ersten Mal beschrieb, dass eine Ökonomie eine „Investitionsfalle“ erleben kann, da (fast) alles Einkommen konsumiert, somit kein Teil des Einkommens mehr gespart wird sowie keine Anreize für Unternehmer existieren, um zu investieren. Auch zeigte Keynes, dass Angebot und Nachfrage nicht immer ein gesellschaftliches Optimum haben müssen und es speziell auf dem Arbeitsmarkt zu „struktureller Arbeitslosigkeit“ – also einem beständig größerem Angebot bei zu kleinerer Nachfrage – kommen kann.
Für die Entwicklungsökonomie waren die Überlegungen von Keynes von großer Bedeutung, hatte er doch die Rolle des Staates so definiert, dass er als ökonomischer Akteur zu einer Veränderung der Situation beitragen kann und soll. Keynes gilt als Begründer der heterodoxen Ökonomie, der Bereich der VWL, dem sich heute noch die Ökonomen zurechnen, welche nicht von der gängigen Lehrmeinung eines funktionierenden Marktes (Neoklassik/Liberale Schule) ausgehen.
Weiterführende Literatur:
Keynes, John M. (1997): Ein Traktat über Währungsreform. 2. Aufl, Nachdruck der 1. Orginialauflage von 1924. Übersetzt von Ernst Kochertaler. Berlin: Duncker & Humblot.
Keynes, John M. (2006): Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Übersetzt von Fritz Waeger. Berlin: Duncker & Humblot.
Keynes, John M. (2007): The general theory of employment, interest and money. Basingstoke, Hampshire: Palgrave.
Lepenies, Philip und Manfred Nitsch(2000): John Maynard Keynes (1883 – 1946). Unsichere Zukunftserwartungen als Motor und Bremse ökonomischer Entwicklung. in: E+Z, Entwicklung und Zusammenarbeit Vol. 41 (12). S. 354-356.
Minsky, Hyman P. (1990): John Maynard Keynes: Finanzierungsprozesse, Investition und Instabilität des Kapitalismus. Marburg: Metropolis.
Putnoki, Hans und Bodo Hilgers (2007): Große Ökonomen und ihre Theorien. Ein chronologischer Überblick. Kapitel Die Weinprobe.John Maynard Keynes. Weinheim: Wiley-VCH Verlag. S. 79-86.
Zank, Wolfgang (1993): Der Staat als Hebel. in: Zeitpunkte Nr. 3. „Zeit der Ökonomen. Eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens“. Hamburg: Die Zeit. S. 65-67.
b) Michal Kalecki (1899-1970)
„Was für den einzelnen gut ist, muss nicht unbedingt der Gesellschaft nützen“ (Bhaduri/Laski 1993:68). Auf diesen griffigen und so einleuchtenden Satz lässt sich das zentrale Argument Michal Kaleckis zusammenfassen. Wie John M. Keynes war auch Michal Kalecki von der Weltwirtschaftskrise geprägt und arbeitete an der ökonomischen Analyse der Probleme, sowie an einem eigenen Lösungsansatz. Die neoklassische Theorie hob das Sparen als Bedingung für Investitionen hervor. Michal Kaleckis einfache und wirksame Kritik bestand darin zu prüfen, was in einer Volkswirtschaft passiert, falls alle in einer Gesellschaft sich ökonomisch rational verhalten und dieser Annahme folgen. Er zeigte, dass durch Sparen weniger konsumiert wird, aber mehr Geld für Investitionen zur Verfügung steht. Da jedoch weniger nachgefragt wird, wird weniger produziert und es entstehen Überkapazitäten. Diese werden abgebaut und Arbeiter entlassen, die dann ebenso wieder weniger konsumieren können. Ein Kreislauf entstanden aus der Summe rationalen Verhaltens Einzelner – zum Schaden aller. Joan Robinson[1], John M. Keynes und andere heterodoxe Ökonomen arbeiteten ebenso an dieser „Rationalitätsfalle“. Die Nachfrage ist deshalb die entscheidende Variable in ihren Modellen. Die Neubewertung der Nachfrage im Gleichgewichtsmodell von Alfred Marshall ist ein wichtiges Element der keynesianischen Ökonomen, in Abgrenzung zur Angebotsorientierung der orthodoxen Ökonomie.
In dem Teil von Michal Kaleckis Theorie zu Gewinnen finden sich die Einsichten auch bei den Unternehmern wieder. Je mehr die Unternehmen investieren, desto höher werden ihre späteren Gewinne sein, da die Nachfrage nach Gütern stärker als die Investitionen steigt: „Die Kapitalisten verdienen, was sie ausgeben, und die Arbeiter geben aus, was sie verdienen“ (Bhaduri/Laski 1993:69). Maximiert ein Unternehmen seine Gewinne in dem es Löhne senkt, so ist das nur kurzfristig von Vorteil für das Unternehmen, da andere nachziehen. Die Nachfrage insgesamt sinkt und das (markt)rationale Verhalten Einzelner ist zu einer gesamtgesellschaftlichen Belastung geworden.
Weiterführende Literatur:
Bhaduri, Amit und Kazimierz Laski (1993): Wohlstand durch Nachfrage. in: Zeitpunkte Nr. 3. „Zeit der Ökonomen. Eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens“. Hamburg: Die Zeit. S. 68-70.
Kalecki, Michal (1990-1997): Collected works of Michal Kalecki. Vol. 1-7. Jerzy Osiatyński (Hrsg.). Oxford: Oxford University Press.
Kalecki, Michal (1987): Krise und Prosperität im Kapitalismus: ausgewählte Essays 1933-1971. Marburg: Metropolis
[1] Joan Robinson, 1903-1983, veröffentlichte den wegweisenden Aufsatz “Die Akkumulation des Kapitals” in dem sie der Frage nach den Bedingungen eines stetigen Wachstums aus marxistisch-keynesianischer Theorie heraus nachgeht. Sie gehörte ebenso wie Keynes zum Kreis der heterodoxen Ökonomen an, die sich regelmäßig im “Cambridge-Circus” trafen, um über ökonomische Fragen zu debattieren.