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Neoklassische Theorie

Die neoklassischen Theorien können nur bedingt als Weiterentwicklung der klassischen Theorie gelten. So finden sich bei allen Vertretern dieser Denkschule Grundzüge der klassischen Theorien zu den Geld- und Gütermärkten und der Idee eines Gleichgewichts als optimale Verteilung. Allerdings fokussiert die neoklassische Theorie viel stärker als die Klassiker auf das Individuum, dem „homo oeconomicus“. Dieses beständig ökonomisch-rational handelnde Subjekt, welcher in einem Marktsystem frei agiert ist die zentrale Analyseeinheit. Die Neoklassik leitet einen Wandel in der Werttheorie ein: Nicht mehr der Aufwand zur Produktion einer Ware soll ihren Wert darstellen, sondern der subjektive Nutzen der Ware für den Konsumenten. Carl Menger, Leon Walras und Stanley Jevons bauten um diese Änderung ihre neoklassischen Theorien auf.

a) León Walras (1834-1910)

León Walras war einer derjenigen, der die Idee des Grenznutzen – d.h. mehr von einem Gut ist nicht gleich mehr individueller Nutzen – mit in die ökonomische Theorie eingebracht hat. Diese war zwar schon von Heinrich Hermann von Gossen einige Jahre zuvor eingebracht worden, war jedoch bis dato unentdeckt geblieben (Oltmanns 1993; Putnoki 2007). Neben dieser modelltheoretischen Neuerung widmete sich León Walras der Weiterentwicklung der klassischen Idee des Gleichgewichts auf Märkten durch Angebot und Nachfrage. Er entwickelte ein Modell des Gleichgewichts in denen auf allen Märkten Angebot und Nachfrage im Einklang waren – unter Annahme vollständiger Konkurrenz. Dabei ist auch die Idee des Grenznutzen im Gleichgewichtsmodell integriert, denn im Gleichgewicht entspricht die Grenznutzen den Preisen im jeweiligen Verhältnis. Das zentrale Problem des Modells – der Weg zum Gleichgewicht – löste er durch die Idee des Auktionators. Eine Idee, die der „unsichtbaren Hand“ Adam Smiths nahe kommt und dennoch einen bedeutenden Unterschied aufweist: Der Auktionator greift in das Geschehen ein und durch die definierten Angebots- und Nachfragefunktionen ist der Weg zum Gleichgewicht nachvollziehbar. Wirtschaftspolitisch bedeutet die Theorie León Walras die Notwendigkeit von freien Märkten, dem Sichern von Konkurrenz und der Neutralität des Staates gegenüber den Geschehnissen an den Märkten.

Der Grenznutzen

 

Quelle: Manuel Aßner, 2011

Als U wird in der Grafik der Nutzen eines Gutes beschrieben. Q ist dazu ein beliebiges Gut. Aus der Grafik lässt sich zeigen, dass obwohl in jedem Schritt von Q1-Q3 die gleiche Menge an Güter zusätzlich zur Verfügung steht, der zusätzliche Nutzen von U1-U3 in jedem Schritt kleiner wird. Der Nutzen nimmt also mit jeder zusätzlichen Einheit von Q mehr ab, bis er schließlich gegen Null tendiert.

Weiterführende Literatur:

Oltmanns, Thorsten (1993): Die Weisheit des Auktionators. in: Zeitpunkte Nr. 3. „Zeit der Ökonomen. Eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens“. Hamburg: Die Zeit. S. 25-27.

Putnoki, Hans und Bodo Hilgers (2007): Große Ökonomen und ihre Theorien. Ein chronologischer Überblick. Kapitel Die Auktion oder Der Auktionator findet stets den richtigen Preis. León Walras. Weinheim: Wiley-VCH Verlag. S. 61-62.

Walras, León (2010): Studies in social economics. Übersetzt von Jan van Daal und Donald A. Walker. London: Routledge.

Walras, León (1990): Étude d’économie sociale. Théorie de la répartition de la richesse sociale. Paris: Economica.

b) Alfred Marshall (1842-1924)

“Ceteris-paribus” (unter sonst gleichen Bedingungen) ist an sich keine eigene Theorie, jedoch die wohl bekannteste Methode in der Ökonomie um die Veränderung einzelner Parameter in theoretischen Modellen im Detail zu betrachten und die Wirkung einzelner Variablen verstehen zu können – Alfred Marshall hat diese Methodik erfunden. Die wohl wichtigste Neuerung seiner Theorie ist die des konstanten Austauschverhältnisses von Gütern, unabhängig von der Geldmenge. Veränderungen an der Geldmenge führen zu Preis- aber nicht zu Wertänderungen – unter Voraussetzung freier Preise, Zinsen und Löhne. Eine wichtige Erkenntnis für die Erklärung von Inflation und für die staatliche Geldpolitik wohl einer der einflussreichsten Ansätze. Auf der wichtigsten neoklassischen Erkenntnis – dem Grenznutzen – baute Alfred Marshall in ein Modell fallende Nachfrage und steigende Angebotskurve ein. Das Marktgleichgewicht konnte damit grafisch und mathematisch gezeigt werden und auch die dadurch erklärbare Konsumenten- und Produzentenrente waren Teil seines Modells. Auch der Umstand, dass Wohlstand zu anderer Bewertung von Nutzen von Gütern führt als Armut konnte Alfred Marshall durch die Erklärung von Elastizitäten der Nachfrage zeigen – dem Verhältnis wie sich eine Preisänderung auf die umgesetzte Menge am Markt auswirkt. Grafisch wird dies durch die Steigung der Nachfragekurve verdeutlicht.

Quelle: Manuel Aßner, 2011

In der Grafik schneiden sich die beiden Kurven von Angebot und Nachfrage in einem Gleichgewichtspreis p*, dem eine Menge q* im Gleichgewicht zugeordnet werden kann. Beidem – Angebot und Nachfrage - wird in diesem Gleichgewicht gerecht und die Marktbedingung ist erfüllt.

Weiterführende Literatur:

Marshall, Alfred (1890/1989): Principles of Economics. komm. Faksimile 1989. Düsseldorf: Verlag Wirtschaft und Finanzen

Oltmanns, Thorsten (1993): Ökonomie gegen die Armut. in: Zeitpunkte Nr. 3. „Zeit der Ökonomen. Eine kritische Bilanz volkswirtschaftlichen Denkens“. Hamburg: Die Zeit. S. 31-33.

Putnoki, Hans und Bodo Hilgers (2007): Große Ökonomen und ihre Theorien. Ein chronologischer Überblick. Kapitel Neues aus der Hirnforschung! Alfred Marshall. Weinheim: Wiley-VCH Verlag. S. 65-70.

Rieter, Heinz (1989): Alfred Marshall (1842-1924). in: Starbatty, Joachim (Hrsg.): Klassiker des ökonomischen Denkens II. München: C.H. Beck. S. 135-157