Kaufkraftparität (KKP) und Wechselkurs
Das Konzept der Kaufkraftparität wird hauptsächlich in zwei verschiedenen Kontexten verwendet:
- zum einen in der Wechselkurstheorie (Kaufkraftparitätentheorie) Die nicht unumstrittene Aussage, die sich hinter diesem Konzept verbirgt, ist, dass sich der Wechselkurs zweier Währungen langfristig durch die Kaufkraft der dazugehörigen Volkswirtschaften bestimmt;
- zum anderen als Meßkonzept, um volkswirtschaftliche Größen wie zum Beispiel das BIP international vergleichbar angeben zu können.
Man stelle sich folgende Situation vor: Eine Uhr kostet in Land A umgerechnet 10 Euro. Angenommen die gleiche Uhr kostet in Land B 20 Euro. Wenn man an dieser Stelle vernachlässigt, dass normalerweise Transportkosten anfallen, um die Uhren von einem Land ins andere zu bringen, so wäre es wohl ein sehr lukratives Geschäft, wenn man die Uhren in Land A für 10 Euro einkauft und in Land B für 20 Euro verkauft. Man könnte einen so genannten Arbitragegewinn von 10 Euro pro Uhr machen.
Die Aussage, die hinter der Kaufkraftparität (KKP) steckt, ist, dass sich langfristig die Wechselkurse so entwickeln werden, dass keine Arbitragegewinne mehr möglich sind, weil z.B. die bereits angesprochene Uhr in allen Ländern gleichviel kosten wird. Dem liegt das so genannte Gesetz des einheitlichen Preises zugrunde.
Das Gesetz des einheitlichen Preises1besagt, dass zwei identische handelbare Güter in zwei unterschiedlichen Ländern langfristig umgerechnet in eine Währung denselben Preis haben werden. Zu den Annahmen, welche dieser Vorstellung zugrunde liegen gehören u.a. vollständige Märkte, d.h. keine Transaktionskosten (z.B Transport- oder Notarkosten), keine Handelsrestriktionen (wie z.B. Zölle oder Einfuhrquoten) und keine Kapitalverkehrsrestriktionen existieren).
Kaufkraftbereinigter Wechselkurs bedeutet, dass man den Wechselkurs nicht nur nominal betrachtet, sondern den Wechselkurs nach der Kaufkraft der Währungen anhand eines repräsentativen Warenkorbs berechnet. Hierfür hatten wir in der Lerneinheit zum BIP bereits ein Beispiel gegeben.
Die Amerikanerin verdient im Monat 2.500 Dollar und der Preis eines Brotlaibes beträgt 0,5 Dollar. Sie kann sich also theoretisch 5.000 Brote mit ihrem Einkommen leisten. Angenommen ein Deutscher verdient 4.000 Euro. Würde man nun einfach die 4.000 Euro zu einem nominalen Wechselkurs von etwa 1,45 Dollar pro Euro umtauschen, so erhielten wir 5.800 Dollar. Es scheint also, der Deutsche sei reicher als die Amerikanerin. Soweit so gut. Angenommen jedoch ein Laib Brot kostet in Deutschland 1 Euro, dann kann sich ein Deutscher nur 4.000 Brote kaufen, während die Amerikanerin, wie oben gezeigt, sich 5.000 Stück leisten kann. Umgerechnet zu Kaufkraftparitäten am Beispiel Brotlaibe ergibt sich ein Austauschverhältnis von 2 (1 Euro/0,5 US-Dollar). Damit verdient nach Kaufkraftparitäten ein Deutscher umgerechnet nur noch 2.000 Dollar (1US$ = 0.5 Euro), dies ist auf das höhere Preisniveau in Deutschland im Vergleich zu den USA zurückzuführen. Das Einkommen des Deutschen hat eine geringere Kaufkraft.
Wenn sich langfristig die Preisniveaus zwischen den Ländern angleichen, dann muss folgende Identität gelten: p = pa bzw. das Preisniveau im Inland (p) entspricht dem des Auslands (pa). Eine Möglichkeit wie sich das Preisniveau eines Landes mit dem eines anderen vergleichen lässt ist der Wechselkurs. Das Preisniveau Deutschlands entspricht genau dann dem brasilianischen Preisniveau, wenn folgende Beziehung gilt: p = e*pa. Das deutsche Preisniveau entspricht dem mit dem Wechselkurs (e) bewerteten Preisniveau Brasiliens. Alternativ lautet die Interpretation: e = p / pa bzw. der Wechselkurs entspricht dem Verhältnis der Preisniveaus.
Im Beispiel der Brotpreise in USA und Deutschland würde das bedeuten, wenn ein Laib Brot in Deutschland 1 Euro kostet, und in USA 0,5 US-Dollar, wäre das Preisverhältnis 1/0,5 und also der Wechselkurs von Euro zum US-Dollar nach Kaufkraftparitäten 2 – also müssten 1 Euro 0.5 US-Dollar „kaufen“ können. Der nominale Wechselkurs am 10.06.2011 von Euro zu US-Dollar ist jedoch 1,4578 US-Dollar. Gegenüber dem auf Brotpreisen basierenden kaufkraftbasierten Wechselkurs wäre der nominale Wechselkurs also überbewertet.
Um die kaufkraftbereinigten Wechselkurse den nominalen Wechselkursen und also entsprechend die Unterschiede in der Kaufkraft der Währungen aufgrund der verschiedenen Preisniveaus gegenüber den nominalen Wechselkursen darstellen zu können, berechnet das Magazin The Economist den so genannten Big Mac Index.
1 siehe Krugman, Paul & Obstfeld, Maurice (2000): International Economics and Policy, 5. Ausgabe: Kapitel 15. Addison-Wesley Publishin, Reading MA und Law of Indifference von William Stanley Jevons – A Theory of Political Economy (1871): 90.