Chicha
Verschiedene Maissorten. © Lysann Schneider
Chicha ist ein durch Gärung gewonnenes Getränk aus dem Andenraum mit einem niedrig bis mäßigen Alkoholanteil. Es war für das vorspanische Volk nicht nur ein ergänzender notwendiger Bestandteil der Ernährung, sondern ein unentbehrliches Element in rituellen, sozialen und politischen Interaktionen.
Die Etymologie von chicha ist bisher nicht eindeutig nachzuvollziehen, aber es gibt einige Erklärungsansätze. Wahrscheinlich leitet sich das Wort chicha von chichab (Mais) in der Sprache der Kuna her, die im heutigen Panama leben. Heute wird der Name chicha auch auf andere traditionelle alkoholische Getränke Südamerikas und auf ihre nichtalkoholischen Entsprechungen ausgeweitet.
Die Herstellung von chicha basiert gewöhnlich auf Mais. Deshalb wird es im Deutschen auch als Maisbier bezeichnet. Es kann aber auch aus anderen Pflanzen, wie Maniok, Erdnüssen oder Quinua (Andenreis) gewonnen werden. Mais war neben Kartoffeln eine der wichtigsten Nahrungspflanzen im zentralen Andenraum. Es gibt verschiedene Maissorten, aus denen unterschiedliche Varianten von chicha gebraut werden können.
Die Methoden der chicha-Herstellung sind vielfältig, jedoch basieren alle auf drei grundlegenden Schritten: Die Vorbereitung des Maises, das anschließende Kochen der Maiskörner in Wasser und das Gären lassen. Je nach Methode können die einzelnen Prozesse unterschiedlich lang dauern.
Es gibt zwei wesentliche Vorgehensweisen der Maisvorbereitung und beide wandeln einen Teil der Stärke, die im Mais enthalten ist, in Zucker um. Dies ruft eine bessere Gärung hervor, und lässt somit einen höheren Alkoholanteil entstehen. Bei dem einen Verfahren wird die Stärke durch Mischen von Maismehl mit Speichel umgewandelt. Der Speichel enthält Enzyme (Amylasen), die den chemischen Prozess auslösen. Die zweite Variante ist das Mälzen. Dabei wird die Stärke durch das Keimen der Maiskörner in Zucker umgewandelt.
Die chicha war und ist auch heute noch teilweise in den gesellschaftlichen, politischen, zeremoniellen und religiösen Aktivitäten unentbehrlich. Chicha spielt eine Rolle in Machtbeziehungen, lässt Verbindungen der Gegenseitigkeit und Loyalität entstehen und erhält sie aufrecht. Durch das Anstoßen von mit chicha gefüllten keru und bei Trinkzeremonien wurde im alten Peru das Netz der gegenseitigen Verpflichtungen zwischen dem Herrscher und dem Untertan symbolisch bestätigt und gefestigt. Chicha wurde auch zu religiösen und rituellen Anlässen, wie beispielsweise Pflanz- und Erntezeremonien auf die Erde gegossen oder auf Gräber gesprüht. Sie diente als Trankopfer für Gottheiten (z.B. Sonne) und für die Ahnen (Totenkult).
Im Inkareich wurde chicha sowohl staatlich als auch in den einzelnen Haushalten produziert. Für die staatliche Produktion waren bei den Inka speziell ausgebildete Frauen, die mamacuna oder acllacuna zuständig. Im Chimú-Staat hingegen war es eine besondere Gruppe von Männern, welche die chicha zubereiteten. Nach der Eroberung wurde von den Spaniern vorübergehend versucht, den Genuss von chicha zu unterbinden, und die staatliche Produktion wurde eingestellt. Man braute sie nur noch in den Haushalten, und die chicha wurde zu einem profanen Getränk.
Lysann Schneider