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Gemälde

Marienverehrung in: Guaman Poma de Ayala (1615), S. 933 © Det Kongelige Bibliotek 

Schon kurz nach der Eroberung begann im Andengebiet ein in der Geschichte beispielloser Bauboom von Kirchen und Klöstern, die eine prachtvolle Ausstattung mit religiösen Bildern erforderten.

Die Möglichkeit der Christianisierung durch Kunst, fand in Europa solchen Anklang, dass 1565 im Konzil von Trient ein eigener Passus verabschiedet wurde, der die Missionare in der Neuen Welt anwies, den legitimen Gebrauch der Bilder zu lehren und die Malerei als didaktisches Mittel zur Christianisierung einzusetzen.

Europäische Gemälde konnten aufgrund ihrer leichten Transportierbarkeit leicht von Europa nach Amerika verschifft werden und dort als Vorbilder dienen, so dass solche Importe schon seit der frühen Kolonialzeit zahlreich stattfanden. In Europa nahmen sich die Barock- und Renaissance-Künstler aber auch Stiche und Statuen als Vorbilder, eine Praktik die ihren Weg auch in die Neue Welt fand.

Die koloniale Kunst Amerikas wurde von drei europäischen Stilrichtungen beeinflusst: der italienischen, geprägt von Künstlern der Spätrenaissance, der flämischen, dessen maneristischer Stil sich in Gemälden, Stichen aber auch Buchdrucken zeigte und schließlich von spanischen Arbeiten wie z.B. denen von Francisco de Zurbarán. Ebenso fand sich mit dem sogenanten Mudejar-Stil ein großer islamischer Einschlag, der von der Besetzung großer Teile Spaniens durch die Mauren von 711 bis 1492 herrührte. 

Tránsito de San Camilo de Lellis, Cristobál Lozano, c. 1762, © Museo de Arte de Lima 

Auch wenn sich die koloniale Malerei an europäischen Modellen orientierte, gab es doch lokale Unterschiede, die sich z.B. in einer indigenen Flora und Fauna ausdrücken konnten.  Einige Themen wie die Heilige Dreifaltigkeit in Form von drei identischen Figuren verbreiteten sich dagegen bis zum Anfang des 18. Jhds. überall in Peru. Daneben gab es auch einige ikonografische Neuerungen wie die Serien der Erzengel mit Arcabuces.

Häufig veränderten indigene Künstler die Gesichtszüge eines Heiligen oder färbten diese dunkel, um sie ihren eigenen ähneln zu lassen und sie fügten Motive oder Symbole ihrer vorchristlichen Religion hinzu. So enstand im kolonialen Amerika nach und nach nicht nur eine neue Kunstrichtung, sondern auch eine neue Form des Christentums, in dem  Angleichungen an die alte indigene Gesellschaft von den Missionaren toleriert wurden, um einen besseren Zugang zur einheimischen Bevölkerung zu erhalten. „Himmlische Erscheinungen“ erwiesen sich dabei als äußerst effektiv, um den Glauben der konvertierten Indios zu stärken, die aus ihrer vorspanischen Tradition heraus eine starke Affinität zu übernatürlichen Himmelsphänomenen hatten. 

Virgen del Cerro Rico de Potosí, Anonym, 18. Jhd. © Casa Nacional de la Moneda-Fundación Cultural BCB, Potosí-Bolivia 

Neben der Ikonographie schafften auch technische Fragen eine Differenzierung in der europäisch-indigenen Malerei.  In den spanischen Kolonien konnten europäische Techniken nur bis zu einem gewissen Grad übernommen werden, da die dafür notwendigen zu importierendem Materialien wie z.B. das zu bemalende Leinen selten und kostspielig waren. Die kolonialen Künstler griffen daher auf indigenes Material, wie dichtgewebte Baumwolle und einheimische Farben zurück, was ihre Kunst wiederrum so einzigartig machte.

Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts kam eine starke mestizische Stimme zum Vorschein, die ihre eigenen, andinen Vorstellungen den immer noch spanischen Vorbildern auferlegte. Durch die regionalen Unterschiede bildeten sich im Laufe der Kolonialzeit berühmte Malschulen heraus, dessen indigene Meister wie Diego Quispe Tito in Cuzco, Melchor Pérez de Holguín in Potosí und Miguel de Santiago in Quito, die koloniale Kunst Lateinamerikas so einzigartig machten.

 

Peggy Goede