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Santiago Matamoros

Santiago Matamoros . Anonymer Künstler aus Cuzco, Ende 17. Jahrhundert, Öl auf Leinwand mit Applikationen aus Goldbrokat, 1,35 x 1,31m

Santiago Matamoros . Anonymer Künstler aus Cuzco, Ende 17. Jahrhundert, Öl auf Leinwand mit Applikationen aus Goldbrokat, 1,35 x 1,31m
Bildquelle: Museo Pedro de Osma, Lima

Von den Jüngern im engsten Kreis um Jesus ist uns Jakobus am wenigsten vertraut, da die Bibel ihn kaum erwähnt. Anders dagegen ist sein Bekanntheitsgrad in Spanien, wo er als erster Missionar das Christentum auf die Iberische Halbinsel brachte. Seit dem späten 9. Jahrhundert wurde dem Apostel, der sich nach und nach zum Nationalheiligen entwickelt hatte, zunehmend eine militärische Funktion zugeschrieben. Einer aus dem 12. Jahrhundert stammenden Legende zufolge erschien der Heilige Jakobus (spanisch Santiago) im Jahre 844 n.Ch. in der Schlacht von Clavijo als Ritter auf einem weißen Schimmel und half auf Seiten der Christen die angreifenden Mauren zu besiegen. Unter dem Banner des Matamoros (Maurentöter) gewannen die Christen Spanien zurück, indem sie die Mauren und Juden aus dem Land vertrieben. Der Heilige wurde so zum Schutzpatron Spaniens und später auch der Konquistadoren in Amerika, die mit dem Kampfschrei "Santiago" ihre Schlachten begannen.

In der Ikonografie gibt es unterschiedliche Repräsentationen des Santiago, der einmal als Apostel, als Pilger mit Jakobsmuschel und Pilgerstab in Hut und Mantel, oder als Ritter und Maurentöter, zu Pferd und mit dem Schwert kämpfend gezeigt wird. Bei der Eroberung Amerikas kam dann ein neuer Darstellungstypus dazu, der sogenannte Santiago Mataindios, der sich statt gegen die Mauren nun gegen die Indigenen stellte. Diverse Chroniken berichten von zahlreichen Erscheinungen des Heiligen überall im Spanischen Amerika.

Im Vizekönigreich Peru wurde Santiago seit seiner legendären Erscheinung beim Kampf um die Inkahauptstadt berühmt: Im Zuge der Belagerung Cuzcos durch den Inkaherrscher Manco Capac II. waren die Spanier 1536 in Bedrängnis geraten. In dieser Situation soll der Legende nach Santiago auf einem weißen Pferd über der Festung Sacsayhuman, vor den Toren Cuzcos, erschienen sein und den Spaniern auf wundersame Weise den Sieg beschert haben. Eine Gedenktafel an der Außenwand der Kathedrale von Cuzco, die diesem Wunder zu Ehren errichtet wurde, erinnert daran.

Santiago Mataindios, Poma de Ayala, 1615

Santiago Mataindios, Poma de Ayala, 1615
Bildquelle: Bibliothek Kopenhagen www.kb.dk/permalink/2006/poma/406/en/text/?open=id2975196

Erstaunlicherweise wird das Geschehen, statt in spanischen, besonders in indigenen oder mestizischen Chroniken wie der von Guaman Poma de Ayala beschrieben, in denen Santiago mit dem andinen Gott Illapa gleichgesetzt wird. Das zur Zeit des Angriffs auf die Spanier stattfindende Unwetter mit Blitz und Hagel könnte erklären, wie das Feuer in Cuzco gelöscht und die Spanier so vor dem Flammentod gerettet wurden. Dieses Wetterphänomen könnte auch dafür verantwortlich sein, dass die inkaischen Soldaten den christlichen Heiligen mit ihrem Blitz- und Donnergott Illapa gleichsetzen und diesen für die Rettung der Spanier verantwortlich machten. Keine Santiagodarstellung zeigt ihn allerdings in irgendeiner Weise als den alten andinen Gott. Allein literarische Beschreibungen wie die von Poma de Ayala oder die orale Tradition zeigen uns überhaupt eine solche Identifizierung. Diese Form des Synkretismus lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass es den inkaischen Armeen leichter gefallen sein musste, eine Niederlage durch göttlichen Eingriff zu akzeptieren, als durch eine Minderheit spanischer Soldaten. Außerdem waren beide Parteien in der Kolonialgesellschaft aufeinander angewiesen, so dass Darstellungen, die an eine direkte Konfrontation zwischen ihnen erinnerten, vermutlich besser  vermieden wurden. So sieht man auf Darstellungen, die den Santiago kämpfend zeigen, nur selten die Beteiligung spanischer Soldaten am Geschehen. Auf den Wunderdarstellungen erkennt man darüber hinaus die Kleidung der Inkasoldaten eindeutig als vorspanisch, so dass dem damaligen Betrachter deutlich wurde, dass es sich hier nicht um christianisierte Indigene handelte.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts kehrten die andinen Darstellungen wieder zur traditionellen Ikonografie des Santiago Matamoros zurück. Die Indigenen galten nun als christliche Mitglieder der Gesellschaft, so dass es wieder die Mauren waren, die als Inkarnation ketzerischer Ideen und als Feinde des christlichen Glaubens galten.

 

Peggy Goede