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Guadalupekult

Guadalupeerscheinungen

Guadalupeerscheinungen
Bildquelle: Los Angeles County Museum of Art (LACMA) collections.lacma.org/node/220044

Der Kult um die Jungfrau von Guadalupe ist auf die "schwarze Madonna" der Provinz Cáceres, im spanischen Extremadura, zurückzuführen. Für ihre Unterstützung beim siegreichen Kampf gegen die Mauren wurde im 14. Jahrhundert im Ort Guadalupe ein Kloster errichtet, das die aus Zedernholz gefertigte Marienstatue beherbergte. Jahrhunderte später war es Christoph Kolumbus, der im Kloster den Segen der Jungfrau für seine bevorstehende Reise erbat. Als er bei seiner Fahrt im Jahre 1492 auf eine ihm unbekannte Inselgruppe im vermeintlichen Indien stieß, benannte er diese der Gottesmutter zu Ehren „Santa Maria de Guadalupe de Estremadura“. Damit wurde der Kult um der Jungfrau von Guadalupe in die Neue Welt gebracht.

Die frühste Quelle zur amerikanischen Guadalupelegende finden wir in einer Schrift von 1545, die der indigene Literat Antonio Valeriano verfasste. Der Nicān mopōhua (nahuatl „hier wird es erzählt“) benannte Text erzählt in Dialogform von dem Marienwunder: Demnach befand sich ein Indigener namens Juan Diego Cuauhtlatoatzin am 9. Dezember 1531 auf dem Weg zur Messe als ihm die Gottesmutter Maria auf dem Hügel von Tepeyac am Rande des heutigen Mexiko Stadt erschien. Sie bat ihn in ihrem Namen beim örtlichen Bischof Juan de Zumárraga vorzusprechen, damit dieser am Ort ihrer Erscheinung eine Kapelle erbauen ließe. Dafür versprach sie allen, die sie hierin verehrten ihre Gnade zu schenken. Als Juan Diego dem Folge leistete glaubte ihm der Bischof jedoch nicht und verlangte, auch nachdem Maria ein drittes Mal erschienen war, Beweise. Am 12. Dezember kehrte Juan Diego daher erneut nach Tepeyac zurück, wo ihm Maria zum vierten Mal erschien und ihn anwies eine Handvoll seltener Blumen vom Hügel zu pflücken. Trotz des Winters hatte der Indigene keine Mühe die kastellianischen Rosen vorzufinden, die den Bischof an den spanischen Marienkult erinnern sollten und brachte sie auf Marias Wunsch hin in seinen Mantel gehüllt zu Zumárraga. Als Juan Diego nun seinen Mantel vor dem Bischof öffnete, fielen die Blumen zu Boden und hinterließen einen Abdruck auf dem Stoff, der sich in das Antlitz Mariens verwandelte. Der Bischof erkannte darin das Bild der spanischen Jungfrau von Guadalupe und ließ in Demut die gewünschte Kapelle in Tepeyac errichten.  

Das auf dem Mantel (tilma) erschienene Abbild Marias ist heute noch vor Ort zu besichtigen. Es zeigt eine Frau mit dunkelhäutigen Gesichtszügen in einem blauen mit Sternen verzierten Mantel. Sie steht auf einem Mond und wird dabei von einem Engel getragen. Eine Mitte des 20. Jahrhunderts erbrachte nähere Untersuchung ergab angeblich, dass sich Juan Diego in den Augen der Madonna widerspiegeln würde.

Bei der Marienrepräsentation auf der tilma handelt es sich um ein sogenanntes Gnadenbild. Die Verehrung solcherlei Bilder, gemalte oder plastische Darstellungen von Heiligen, vor allem Mariens, führt zur Erfüllung spezifischer Wünsche. So sollen auch im Namen der Guadalupe Jungfrau zahlreiche Wunder wie das Abwenden von Hungersnöten, Epidemien und Überschwemmungen geschehen sein, und auch das Abbild an sich kann bis heute technisch nicht eindeutig erklärt werden.

Skulpturengruppe "La ofrenda" auf dem Tepeyac

Skulpturengruppe "La ofrenda" auf dem Tepeyac
Bildquelle: Eric Endacott

Über das Leben des Juan Diego Cuauhtlatoatzin  ist wenig bekannt. Er wurde im Jahre 1474 in Cuautlitlán, im heutigen Mexiko Stadt, geboren und im Alter von 50 Jahren zum Christentum bekehrt. Nach der Begegnung mit Maria widmete er sein Leben dem Gebet und der Nächstenliebe. Als Eremit lebte er in einer kleinen Hütte nahe der nach dem Wunder errichteten Kapelle, die er zusammen mit den zu ihr kommenden Pilgern betreute. Juan starb 1548 und wurde in der Kapelle von Guadalupe beerdigt. Am 6. Mai 1990 wurde er von Papst Johannes Paul II. selig und im Jahre 2002, als erster Indigener, heiliggesprochen.
Die Geschichte der Wundererscheinung verbreitete sich schnell unter der einheimischen Bevölkerung und sorgte für einen rasanten Anstieg der zum Christentum konvertierten Indigenen. Dabei wurde die Echtheit des tilma-Bildes von diversen kirchlichen und zivilen Autoritäten immer wieder angezweifelt. Daher fanden zahlreiche Untersuchungen statt, die die göttliche Herkunft des Bildes bestätigen sollten. Auch der berühmte Maler Miguel Cabrera und sowie andere anerkannte Künstler untersuchten das Abbild gründlich und bestätigten das Wunder. Im Jahre 1737 wurde die Jungfrau von Guadalupe daher zur Schutzpatronin Mexikos erklärt und der 12. Dezember zum offiziellen Feiertag für die Jungfrau von Guadalupe bestimmt. Am 24. August 1910 ließ Papst Pius X. die Jungfrau von Guadalupe schließlich offiziell zur Patronin ganz Lateinamerikas erklären.

Der Mantel mit dem Abbild Mariens wurde am 26. Dezember 1531 in einer feierlichen Prozession von der bischöflichen Privatkapelle in Mexiko Stadt zur fertigstellten Kapelle auf dem Tepeyac gebracht. Der Ursprungskapelle folgte 1533 eine zweite, größere und 1556 eine dritte. Im April 1709 wurde schließlich die erste Basilika der Jungfrau von Guadalupe in einem feierlichen Akt eingeweiht, doch musste Jahrhunderte später für Besucher und Pilger gesperrt werden, da das Gebäude aufgrund des sinkenden Grundwassers absackte. Die neue Basilika, entworfen vom mexikanischen Architekten Pedro Ramírez Vázquez, welche 1974 geweiht und 1975 eröffnet wurde, beeindruckt mit ihrer Größe und ihrer offenen Bauweise, die 40.000 Besuchern Platz bietet. Heute besuchen bis zu 20 Millionen Pilger und Neugierige jährlich die Basilika von Guadalupe. Der somit größte Wallfahrtsort weltweit, vereint Menschen aller Nationen und aller sozialen Schichten, die der Maria auf der öffentlich ausgestellten tilma mit zahlreichen Geschenken huldigen und sie um Beistand anbeten.

Castagemälde von Luis de Mena, Mexiko 1750

Castagemälde von Luis de Mena, Mexiko 1750
Bildquelle: Museo de América, Madrid museodeamerica.mcu.es/acceso_catalogo.html

Der Kult um die Jungfrau von Guadalupe begann bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Seine starke Verbreitung erfolgte jedoch erst Mitte des 17. Jahrhunderts mit dem Aufkommen einer starken kreolischen Bewegung im kolonialen Neu-Spanien.
Angeheizt durch Spannungen wegen ungerecht verteilter encomiendas und öffentlicher Posten und mexikanischer Steuern, die nach Spanien flossen, wurde die Kluft zwischen Spaniern und Kreolen immer größer. Unter der mangelnden Anerkennung leidend bemühten sich die in Mexiko geborenen Spanier um eine eigene, kreolische, Identität. Teil dieser Bemühungen war die Suche nach einem geistigen Ersatz für die Virgin de los Remedios, einer Marienfigur, die den spanischen Konquistadoren bei der Eroberung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan geholfen hatte und mit der sich die Spanier daher stark identifizierten. Einen Ersatz für diesen Kult fanden die Kreolen in der Jungfrau von Guadalupe, deren Erscheinen auf mexikanischem Boden auch den Standort Neu-Spanien aufwertete und die Kreolen damit sozial festigte. Auch die Kirche sahen einen Vorteil in dem lokalen Marienkult und erkannte, dass dieser sowohl christliche Motive wie auch Elemente der indigenen Religion in sich vereinte und so helfen würde die Kluft zwischen Mexikos wachsender heterogener Bevölkerung zu überwinden.
Die Geschichte der Erscheinung der Jungfrau von Guadalupe stellt eines der bekanntesten Beispiele von Synkretismus in der Neuen Welt dar. Anfänglich identifizierten sich zumeist Indigene mit dieser Maria. Einst hatte auf dem Ort ihrer Erscheinung der Tempel einer aztekischen Göttin, der Erdmutter Tonantzin, gestanden, was zu einer späteren Übertragung auf die christliche Gestalt führte. Darüber hinaus war es eine dunkelhäutige Frau gewesen, die einem einfachen indígena erschienen war. Einigen Quellen zufolge sprach Maria bei ihren Erscheinungen nahuatl, die traditionelle Sprache der Azteken, und ihr Bild erschien auf einem indigenen Medium, einer tilma aus Kaktus (Maguey) Fasern. Doch das Bild beinhaltete auch iberische und christliche Elemente, denn schließlich handelte es sich bei dem Indigenen um einen ladino, einen hispanisiertem Indigenen, der kurz zuvor zum christlichen Glauben übergetreten war. Während die Spanier in der Guadalupe wohl eher die Apokalyptische Frau aus den biblischen Offenbarungen (Apokalypse) des Johannes sahen, erkannten die indígenas ihre eigenen Symbole in dem Bild, so z.B. Tonatiuh (die Sonne), die Sterne die den Rock Tonantzins zierten, der blaue Umhang Marias, der an das göttliche Paar Ometecuhtli und Omecihuatl erinnerte oder der Mond als Symbol des Planeten Venus, den sie mit ihrem Gott Quetzalcoatl assoziierten. Und schließlich symbolisierte der schwarze Gurt um Marias Leibesmitte ihre Schwangerschaft und verdeutlichten mit der Darstellung der bevorstehenden Ankunft Christi auf plastische Weise die Geburt des christlichen Glaubens in der Neuen Welt. So wurde die Guadalupe Maria zu einem Bindeglied, das zwischen der indigenen und der christlichen Religion vermittelte.
Schnell wurde die Guadalupe zum Inbegriff des Mexikaners, sei er indigener, spanischer oder mestizischerHerkunft. Spätestens seit der Unabhängigkeitsbewegung Mexikos wurde die Jungfrau zum Symbol der mexikanischen Nation, als Aufständische unter Miguel Hidalgo im Jahre 1810 das Abbild der Jungfrau zu ihrem Revolutionssymbol machten. Eine ähnliche Ehrenrolle erhielt die Guadalupe Maria auch bei der mexikanischen Revolution von 1910. Heutzutage findet sich in fast jedem mexikanischem Haushalt ein Bild der Guadalupe, oftmals durch einen kleinen Altar ergänzt, um der Patronin des Landes zu huldigen und ihren Beistand zu erbitten.

 

Peggy Maria Guadalupe Goede, 12. Dezember 2011